4.2.2 Krise des öffentlichen Straßenverkehrs
Der Begriff des öffentlichen Verkehrs ist hier in einem
engeren Sinne zu verstehen, da die öffentlich administrativen
Verkehrsmittel wie Universitäts- und Ministerienverkehrsmittel dabei nicht
berücksichtigt werden, die bestimmte gesellschaftliche Gruppen (z.B.
Studierende) oder einige Beamten benutzen. Diese staatlichen Verkehrsmittel
funktionieren relativ gut, weil sie subventioniert werden.
Öffentlicher Verkehr wird als derjenige Verkehr bezeichnet, der allen
Stadtbewohnern oder -besuchern verfügbar ist« (vgl. Vogt Joachim
03.01.2011). Es ist der Personenverkehr, dessen Verkehrsmittel für
Taxiaktivitäten der Bevölkerung benutzt werden; d.h. die
Fahrgäste bezahlen unmittelbar dem Fahrer oder dem Betriebskassierer vor
oder nach der Fahrt. Somit stellen die Zemidjan«, die
Autotaxifahrer sowie die Minibus- und Bustaxifahrer, die sowohl innerhalb als
auch außerhalb der Stadt tätig sind, den öffentlichen Verkehr
dar.
4.2.2.1 Rasche Entwicklung eines öffentlichen
Subsitenzverkehrs
Die Zemijan (auch Zemidjan geschrieben) bedeuten etymologisch
nimm mich schnell«, weil sie im Verkehr schneller als andere
Verkehrsmittel fahren können. Sie tragen in der Stadt Cotonou immer ein
gelbes Hemd (Abb. 21), während in anderen Städten von Benin andere
Hemdfarben empfohlen werden.
Abbildung 21: Zemidjan auf einer Straße
Quelle: Felddaten (2010)
Die Zemidjan traten in den 1980er Jahren als Personentaxi in
Cotonou auf. Die forcierte Rückkehr« nach Benin 1978 von den
früher in Gabon und Congo lebenden Beninern und die wirtschaftliche Krise
in Nigeria beschleunigten die Entstehung der Zemidjan (vgl. Agossou Noukpo San,
2003).
Diejenigen, die wieder nach Benin zurückgekommen waren,
mussten arbeiten, um überleben zu können. Gleichzeitig suchten die
staatlichen Beamten, die jahrelang wegen der Krise keinen Lohn bekamen,
alternative Einkommen. Kombiniert führte dies zur Zemijanarbeit. Diese
Situation wurde auch von den geschäftlichen Initiativen der
,,öffentlichen Aufhebungsverträgen« in 1990er Jahren
verstärkt, wobei die Zemidjan rasch entwickelt wurden.
Gemäß CBDD (1999: 25) waren die Zemidjan zwischen
1992 und 1998 etwa 41.600, im Jahre 1999 dann etwa 43.000. Bis 2008 waren die
Zemidjan insgesamt etwa 127.360 (vgl. Mairie de Cotonou). So lässt sich
eine Zunahmerate von ca. 196 % von 1999 bis 2008 berechnen. Das führt zu
etwa 825 Zemidjan für 1.000 Haushalte oder 212 Zemidjan für 1.000
Stadtbewohner. Dies stellt einen Durchbruch des Subsistenzverkehrs dar.
Der Zemidjan-Vorteil liegt ,,in der geringen Breite,
sodass sie in den üblichen go-slows' im Vergleich zu PKWs auf der gleicher
Strecke geringere Fahrzeiten erzielen« (Zeitz Christin & Akohou
G. Sagbo R. 2009: 28). Die Zemidjan bieten einen
,,Haus-Haus-Verkehr« im Gegensatz zu Autotaxifahrern an.
Nachteile sind die Verkehrsunsicherheit, die Luftverschmutzung
und die Zemidjan-Steuerflucht. Gemäß der Zulassungsordnung
müssen die Zemidjan-Steuern bezahlen. Auf 41.662 Zemidjan haben 1998 nur
4.000 ihre Zemidjan-Steuer (etwa 20 Cent pro Monat) an die lokale Verwaltung
abgeführt (vgl. CBDD, 1999: 25); d.h. etwa 90 % der Zemidjan-Steuer wurde
in diesem Jahr nicht bezahlt.
Diese Situation ist gegenwärtig noch vorhanden (vgl.
Mairie de Cotonou). ,,2003 sollte die lokale Verwaltung die Zemidjanfahrer
während der kommunalen Wahlkampagne darum gebeten haben, dass sie
aufhören können, die Abgaben und Gebühren der Zemidjanarbeit zu
bezahlen« (vgl. Kengne Foduop & Jean Tape Bidi, 2010).
Um die Zemidjanarbeit erledigen zu dürfen, muss man
mindestens einen Führerschein Klasse A1 und zwei Fahrhelme besitzen und
der Zemidjan darf nicht mehr als einen Kunden transportieren. Allerdings werden
diese Vorschriften missachtet. Die lokale Verwaltung ist teilweise dabei
mitschuldig, indem sie ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen die Genehmigung
für die Zemidjanarbeit trotzdem erteilt. Die Behörde begründet
ihr Verhalten durch die Tatsache, dass es wenige Fahrhelme zu kaufen gibt.
Was den Mangel an Führerschein Klasse A1 betrifft, gibt es
,,keine gültige Antwort« gemäß Amoussou-Guenou
Alexis Max Patrick (1995: 19). Die unterschiedlichen schwierigen
Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise und der
politischen Entscheidungen lösten die Zemidjanarbeit bei
der lokalen Bevölkerung aus. Die Zunahme der Zemidjan führte zu dem
Versuch der öffentlichen Hand, den Sektor durch Zemidjan-Steuer und
Anmeldungsformalitäten zu organisieren. Der Mangel an Fahrhelmen und am
Willen der Zemidjan-Fahrer sowie die wahlpolitischen Entscheidungen
beschränken die volle Erledigung der Formalitäten. Problematisch ist
die Frage, ob die Zunahme der Zemidjan bewältigt werden kann und wie die
Formalitäten streng eingehalten werden können.
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