4.2.1 Zunahme des Individualverkehrs
Der Gang zu Fuß und der Verkehr mit dem eigenen
Personenfahrzeug können ohne den Taxi-Verkehr« als
Individualverkehr zählen.
Die Fußgänger sind diejenigen, die nur zu Fuß
gehen. Zu Fuß gehen ist überwiegend die Sache der Mehrheit der
lokalen Bevölkerung in Afrika.
Basierend auf den Berechnungen nach Flora Deville (2008)
machen am Beispiel von Conakry 78 %, Douala 75 % und Dakar 81 % die
Fußgänger durchschnittlich 75 % der Gesamtbevölkerung in Afrika
aus. Die Gründe für den großen Fußgängeranteil sind
zum einen die Armut der lokalen Bevölkerung, der das Geld fehlt, um sich
ein Verkehrsmittel zu kaufen, und zum anderen der Mangel an öffentlichem
Massenverkehrsmitteln.
Problematisch bei den meisten Fußgängern ist ihr
Verhalten auf der Straße aufgrund Unkenntnis der
Straßenverkehrsordnung, obwohl die öffentliche Hand Informationen
z.B. über die Medien gibt. Dieses Verhalten der Fußgänger
bringt das Problem der fehlenden Verkehrsdiszplin« in ganz
Cotonou mit sich (vgl. Zeitz Christin& Akohou G. Sagbo R. 2009: 33).
Technisch gesehen sind die meisten Straßen unter geringerer
Berücksichtigung der großen Anzahl der Fußgänger gebaut
worden. Folglich überqueren Fußgänger stellenweise die
Straßen ohne größere Aufmerksamkeit mit unterschiedlichem
Risiko. Wegen des Mangels an entsprechenden Mittelinseln oder
Querungshilfen« (vgl. Korda Martin 2005:290) laufen die
Fußgänger oft auf den stark befahrenen
Hauptverkehrsstraßen.
Formell geht es um die Nichteinhaltung der vorhandenen
Verkehrsregeln. So sind die wenigen Bürgersteige, die den
Fußgängern gewidmet sind, von den Straßenhändlern
permanent überfüllt und jeder fährt nach den eigenen
Wünschen. Gegenüber dieser Situation sind die Sensibilisation der
Bevölkerung und einige Strafmaßnahmen der öffentlichen Hand
noch ineffizient. Die Unwirksamkeit der betroffenen Maßnahmen hängt
von der gesellschaftlichen Hierarchisierung und dem damit verbundenen Verhalten
ab: Unterscheidungen zwischen Armen und Reichen, die Militärs fahren
ohne Beachtung der Regeln, ein Verwandter des Presidenten hat keine Angst vor
seinen Fehlern etc.; zwar gibt es Regeln, aber die Beachtung ist aufgrund der
gesellschaftlichen Hierarchie unterschiedlich« (Jérôme
Chenal 2009: 317). Daher wird das Problem des Straßenverkehrs als
hohe Informalität des Verkehrs betrachtet. Weder Flächenwidmungen
noch Ampeln, Zeichen oder sonstige Regeln werden von den Verkehrsteilnehmern -
ob öffentlicher oder privater Verkehr, ob Fußgänger oder
Autofahrer - beachtet« (vgl. Vogt Joachim 03.01.2011). Der Mangel an
entsprechenden Verkehrsanlagen und die bevorzugte Strafbehandlung bei der
Nichtbeachtung der vorhandenen Regeln verstärken die fehlende
Verkehrsdisziplin. Daher bleibt die Frage noch offen, wie die Verkehrsdiszplin
gesichert werden kann.
Fahrrad fahren oder etwas Ähnliches ist wenig vorhanden.
In den meisten afrikanischen Ländern fährt die lokale
Bevölkerung in den Metropolen kaum mit dem Fahrrad. 7,2 % der Befragten
(Abb 19) in Cotonou besitzen ein Fahrrad, während 86,3 % Befragten kein
Fahrrad haben.
86,3%
5,5%
7,3%
0,8%
0,3%
Keine Antwort
val = 0
val = 1
val = 2
val = 3
Abbildung 19: Aufteilung der Befragten nach Fahrradbesitz
Quelle: Felddaten 2010
Der unterentwickelte Zustand des Fahrrads in Afrika hängt
von verschiedenen Faktoren ab.
Neben anderen Hindernissen wurden das ungünstige Klima
(Hitze und Regenfälle), große Entfernungen zwischen den Orten, teure
Einkaufskosten von Fahrrädern (50.000 f CFA, etwa 77 Euro bezüglich
des Mindestlohns im Jahre 1992), unbequeme Straßen (verformte
Sandstraßen), Verkehrsunsicherheit, Diebstahlrisiko und die negative
Wahrnehmung über Fahrräder (Sache armer Leute) genannt, Godard Xavier
& Teunier Pierre (1992: 44). ,,In den meisten Transportpolitiken der
Länder Afrikas hat die unreflektierte Übernahme des
Motorisierungsgedankens (sog. ,,Road und Car-Ansatz«; KAIRA 1983), aber
auch das soziale Prestige vom Autobesitz politisch Handelnde daran gehindert,
das Fahrrad und andere kostengünstige Transportmittel zu fördern,
LOWE 1989, S. 9'« (vgl. Jürgen Heyen-Perschon 1999: 30). Als
Maßnahmen für solche Politiken wurden ,,hohe Luxuszölle
früher auf den Import von Fahrrädern erhoben und aus der Sicht der
afrikanischen Eliten handelte es sich um ein antiquiertes
Verkehrsmittel« (vgl. Monheim Heiner 2010). Die schlechten
Naturbedingungen, die Hindernispolitiken und die schlechte soziale Wahrnehmung
führen zu der Quasi-Abwesenheit des Fahrrads in Afrika bzw. in Cotonou.
Daher stellt sich die Frage, wie der Fahrradverkehr befördert werden
kann.
Der motorisierte Individualverkehr besteht in Cotonou aus Motos
und PKWs.
Das Individualmoto ist das Moto für alle Nutzungen
außerhalb der Taxi-Tätigkeiten.
Die Motos vermehren sich unkontrolliert. Der
Motorisierungsgrad wurde um 100 Motos je 1.000 Einwohner bis Ende 1996
berechnet (vgl. CBDD, 1999: 7); eine Person auf zehn besaß ein Moto in
Cotonou. Gemäß Noukpo San Agossou (2003) nach einem Bericht von
Mehu/Abe lag die Zahl der importierten Motos bis 1997 bei etwa 200.000 und 50 %
davon waren für die Mobilität in Cotonou bestimmt (vgl. CBDD, 1999).
Bezüglich der gegenwärtigen Bevölkerungszahl von etwa 600.000
Menschen besitzt damit eine Person auf sechs ein Moto in Cotonou.
Diese Zunahme erklärt sich dadurch, dass man sich ein
Moto nach eigenem Wunsch im Gegensatz zu den Autos in Cotonou ohne strenge
Rechtsvorschriften kaufen kann. Gesetzgemäß muß man sich bei
den Zollbeamten nach dem Einkauf registrieren lassen. Diese Anmeldung wird de
facto unterlassen, weil die Grenzen zwischen Nigeria und Benin zu groß
sind, um eine wirksame Kontrolle durch Zollbeamte zu realisieren.
Außerdem kann die Bevölkerung auch nach Nigeria reisen, um sich ein
Moto ohne jegliche Kontrolle zu kaufen. Es existieren gegenwärtig
zahlreiche Geschäfte für derartige Verkehrsmittel in Cotonou, um
nicht nur Motos zu verkaufen, sondern auch die Teilstücke für die
Instandhaltung, wobei die Einkaufskosten allerdings immer geringer werden.
Zwischen 1.500.000f CFA (2.287 Euro) und 2.000.000f CFA (3.049 Euro) kosteten
im Jahre 1999 die meisten neuen Motos. Heute kosten sie etwa 300.000 (457
Euro). Der Wunsch der lokalen Bevölkerung, die Grenzdurchlässigkeit
und die zunehmenden Motohandelsbetriebe sind die Gründe für die
Zunahme der Motos in der Stadt. Wie der Trend der Motos zukünftig aussehen
soll, ist die gegenwärtige Frage.
Neben den Motos stellen die PKWs eine andere Gruppe des
Individualverkehrsmittels dar. In unterschiedlichen Zuständen (neu, alt,
zum Teil unbrauchbar) erreichen die Autos die Küste von Cotonou. Bis 1996
wurden 50.000 PKWs in Cotonou gezählt. Darunter waren nur 1.000 neu
gekauft; die anderen waren gebraucht (vgl. CBDD, 1999: 7). Aktuell nimmt die
Anzahl der PKWs auch in Cotonou zu. Tatsächlich lag der Motorisierungsgrad
in Cotonou bis 1995 bei 12 PKWs je 1.000 Einwohner. Seitdem liegt die
durchschnittliche jährliche Zunahmerate in Cotonou bei mindestens +75 %
nach dem Stand von 1995 (vgl. CUC (a) 1996:12-14). Allerdings besitzen weniger
als 25 % der Befragten (Abb. 20) mindestens ein PKW, während 71,8 % der
Befragten überhaupt kein Auto besitzen.
71,8%
17,8%
5,3%
keine Antwort
val = 0
val = 1
3,8%
val = 2
0,5%
val = 3
0,8%
val = 4
0,3%
val = 5
Abbildung 20 : Aufteilung der Befragten nach PKW-Besitz
Quelle: Felddaten 2010
Es gibt drei Gründe für diese Zunahme der PKWs (vgl.
CBDD, 1999:24). Vor allem wünscht sich jeder Stadtbewohner oder jede
Stadtbewohnerin, ein eigenes bequemes Verkehrsmittel zu besitzen. Dann stellt
der Besitz eines eigenen Autos ein Symbol des Erfolgs dar. Auch mangelt es an
geeigneten öffentlichen Verkehrsmitteln in der Stadt.
Das Symbol des Autos als erfolgreicher Lebensfaktor erweckt
den Wunsch der lokalen Bevolkerung, ein Auto zu besitzen. Dieses soziale Image,
kombiniert mit dem Mangel an geeigneten öffentlichen Verkehrsmittel und
der finanziellen Möglichkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen
führen zu der Zunahme der Autos in der Stadt. Kann die Zunahme der Autos
bewältigt werden?
Neben dem Individualverkehr gibt es den öffentlichen Verkehr
in Cotonou.
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