3.1. Bestimmung und Ziele der Fehlerlinguistik
Es ist wirklich erstaunlich, dass die einschlägige
Fachliteratur zur Fehlerlinguistik nur so wenig Platz für ihre Definition
legt. Jedoch werden die einigen gefundenen Definitionen im Folgenden
hervorgehoben. Das deutsche Universalwörterbuch Duden (2007)
definiert die Fehlerlinguistik als eine Forschungsrichtung der Linguistik, die
Arten und Ursachen der beim Spracherwerb und beim Erlernen der Fremdsprachen
entstandenen Fehler untersucht«. Von diesem Gesichtspunkt aus ist die
Fehlerlinguistik mit der Fehleranalyse zu verwechseln. Unter Fehlerlinguistik
versteht Lavric (1994, S. 71) jede systematische sprachwissenschaftliche
Beschäftigung mit negativ bewerteten sprachlichen Abweichungen. Bei dieser
Bestimmung wird der Fehler zwar als sprachliche Abweichung, aber es fehlt
Angaben über Ziele dieses Fachbereichs. Eine andere Auffassung zur
Bestimmung der Fehlerlinguistik kommt von Hellinger (1976, S. 89). Für ihn
kann die Fehleranalyse auch der Verwirklichung konkreter praktischer Ziele
dienen, wie der Erstellung von Lehrmaterialien oder Therapie-Programmen. Bei
Kühlwein (1980, S. 565) geht es um eine unterschiedliche Terminologie. Bei
ihm gilt die Fehlerlinguistik hingegen als übergreifender Terminus,
der insgesamt drei Bereiche umfasst: Fehleranalyse,
Fehlerevaluation und Fehlertherapie. Für ihn präsentiert die
Fehlerlinguistik also einen Oberbegriff, innerhalb dessen er noch zwischen
einer empirischen und nicht-empirischen Fehleranalyse differenziert. Die
Fehleranalyse begreift er im breiteren Sinne. Dabei lassen sich auch
Feststellungen der kontrastiven Grammatik resümieren. Grundgenommen
scheint die Fehlerlinguistik der Fehleranalyse oft terminologisch gleichgesetzt
zu werden. Diese beiden Begriffe kommen inhaltlich als Synonyme vor.
Im Vorwort seines Sammelbandes Fehlerlinguistik
erläuterte Cherubim (1980b), man beabsichtige keine neue
linguistische Teildisziplin zu begründen« und greife dabei auf den
von Bierwisch (1970, S. 397-414, zitiert nach Cherubim) verwendeten Ausdruck
Fehlerlinguistik zurück. Das Wort Fehlerlinguistik scheint also als
Sammelbegriff für alle fehlerorientierten Problematiken im Rahmen der
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Sprachwissenschaft. Eine Bestimmung bzw. Verständigung
der Fehlerlinguistik kann sozusagen indirekt vom Kontext deduziert werden.
Daraus kann man schließen, dass die Fehlerlinguistik in der Tat nichts
Neues sei, obwohl die Bezeichnung neu klingen mag, weil sie sich im Rahmen
einer zunehmenden Problemorientierung der praxisbezogenen Sprachwissenschaft
einem Thema widmet. Auch präzisiert Munske (1973, S. 486) in diesem Sinne,
dass die KL, von der es die Rede in dem zweiten Kapitel war, mithilfe von
Erkenntnissen der Fehleranalyse ergänzt und dadurch erst vollständig
werden kann. Seiner Meinung nach liegt die Aufgabe der KL im theoretischen
Sprachvergleich. Dagegen führt er auf die Fehleranalyse die Rolle der
Erforschung von Interferenzen im Fremdsprachenunterricht zurück.
Außerdem erwähnt er das Konzept der Kontaktlinguistik, deren Ziel
ist es, Interferenzen im Sprachkontakt nachzugehen.
Auch Nickel (1973, S. 466- 467) ist damit einverstanden, dass
ein Unterschied zwischen kontrastiver Linguistik und Fehleranalyse
grundsätzlich gemacht werden soll. Er warnt dennoch auch davor, Resultate
der Kontrastlinguistik für besser zu halten, indem er vielfältige
Gegenargumente nennt. Allerdings leugnet er ihre Wichtigkeit bei der
systematischen Betrachtung der Fremdsprachen in Verbindung mit der
theoretischen Sprachwissenschaft nicht.
Rieck (1980, S. 43) meint, dass die frühere Stellung der
KL als prognostische Disziplin, die Lernschwierigkeiten auf Grund des
Sprachvergleichs vorhersagen kann, nicht mehr haltbar sei. Er meint, die
kontrastive Analyse wird vielmehr als prognostische Disziplin angesehen, die
Ergebnisse der Fehleranalyse ergänzt und erklärt. Die konfrontative
Sprachbeschreibung erscheint also als ein unerlässliches Instrument
für eine gültige Fehleranalyse zu sein. Die Fehleranalyse wird in
diesem Sinne an Material aus dem Fremdsprachenunterricht realisiert und zeigt
uns zuerst diejenigen Teilgebiete der Sprache auf, die den Lernern
Schwierigkeiten bereiten. Sie versucht diejenigen Fehler in
Lerner-Äußerungen zu quantifizieren und zu klassifizieren, um
nötige Folgen für den Unterricht herauszuziehen. Dann mit Hilfe des
konfrontativen Sprachvergleichs versteht man, warum sich gerade diese Aspekte
als problematisch erweisen.
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Das Hauptziel der Fehlerlinguistik ist also klar, obwohl es
eine Meinungsverschiedenheit in der einschlägigen wissenschaftlichen
Literatur herrscht. Die meisten Forscher im Bereich der Fehlerlinguistik
meinen, dass ihr prioritäres Ziel auf der Fehlervermeidung bzw.
-bekämpfung oder -vorbeugung und somit im möglichst effektiven
Unterrichtsprozess beruht.
3.2. Schritte der Fehleranalyse
Hufeisen und Neuner (1999) stellen uns die Schritte der
Fehleranalyse durch eine Aufgabe u.a Aufgabe 70, Seite 67 dar. Die Aufgabe
setzt sich so weiter vor:
Fangen Sie damit an, dass sie sich die folgenden Sätze
ansehen: Welche Fehler stellen Sie fest? Versuchen Sie, die Fehler zu
beschreiben und ihre Ursachen zu benennen.
1. Es tut mir Leid, dass ich spät komme. Ich habe den Bus
vermisst.
2. Das Pony kommte angerannt.
3. Zurück in Deutschland, habe ich studiert.
4. Gestern wir gingen ins Kino.
5. Ich tannze gerne.
6. Bis du Frau Müller?
Durch diese Aufgabe zeigen Sie uns den ersten Schritt der
Fehleranalyse: Es geht um die Fehleridentifizierung oder -lokalisierung. Soweit
identifizieren Sie den zweiten Schritt der Fehleranalyse, die die
Fehlerklassifizierung ist. Zuletzt stellen Sie die Fehlererklärung als
dritter Schritt der Fehleranalyse vor. Auf diese Weise unterscheiden wir
insgesamt fünf Schritte der Fehleranalyse nämlich:
Fehleridentifizierung, Fehlerklassifizierung, Fehlererklärung,
Fehlerkorrektur und Fehlerbewertung, Fehlertherapie und Fehlerprophylaxe. Durch
die Analyse der Aufgabe 70, von Hufeisen und Neuner (1999, S. 67) erklären
und beschreiben wir, was diese unterschiedlichen Schritte der Fehleranalyse
bedeutet und kennzeichnet.
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