2.2.4.1. Phonetische Interferenzen
Weinreich (1976 zitiert nach M. Imider ) beschreibt das
Erscheinen der phonetischen (lautlichen) Interferenz wie folgt:
Bei dem Problem der lautlichen Interferenz geht es um die Art
und Weise, wie ein Sprecher die Laute der einen Sprache, die als
Sekundärsprache bezeichnet werden kann, nach dem Muster der anderen
wahrnimmt und reproduziert, die die Primärsprache heißen soll.
Interferenz tritt ein, wenn ein Zweisprachiger ein Phonem des
Sekundärsystems mit einem des Primärsystems identifiziert und es bei
seiner Hervorbringung als Laut den phonetischen Regeln der Primärsprache
unterwirft. (S. 30)
Da die vorliegende Arbeit auf der Analyse schriftlichen
Übersetzens basiert, können Interferenzerscheinungen auf phonetischer
Ebene - wie sie in der oben formulierten Bestimmung Weinreichs beschrieben
werden - in die Auswertung der Daten nicht einbezogen werden. Festzustellen
ist, dass in der geschriebenen Sprache phonetische Interferenzerscheinungen mit
Orthographiefehler zu verwechseln sind. Interferenzerscheinungen, die in der
schriftlichen Realisierung deutscher Wörter auftreten, sind im Fall von
kamerunischen Deutschlernenden beispielsweise, vielmehr auf
Übertragungsprozesse zwischen schon gelernten Sprachen bzw.
Französischen oder Englischen und der neuen ZS Deutsch
zurückzuführen. Der Bereich der lautlichen Interferenz wurde
vornehmlich durch die Einteilung von Weinreich (1976, S. 36 zitiert nach M.
Imider) beeinflusst. Er hat dabei vier Grundtypen der phonetischen Interferenz
aufgeführt:
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- Der erste Typ ist die Unterdifferenzierung von
Phonemen«. Hier werden zwei Laute, die in der ZS differenziert werden, in
der AS dennoch nicht, auch in der ZS wie ein einziges Phonem behandelt. Dies
führt dann dementsprechend oft zu der zielsprachlich aber nicht richtigen
Benutzung der beiden Laute. Für das Französische, das
hauptsächlich als AS der kamerunischen Deutschlernenden betrachtet werden
kann, stellen die Laute /i/ und /y/ allgemein zwei Varianten ein und desselben
Vokals dar, was bei der korrekten Verwendung der beiden Vokale im Deutschen, wo
diese zwei Laute sehr wohl voneinander differenziert werden, zu Schwierigkeiten
führen kann.
- Die Überdifferenzierung von Phonemen« führt
Weinreich als zweiten Typ an. Es geht mehr oder weniger um den umgekehrten
Prozess der Unterdifferenzierung: Hier werden hingegen Laute, die in der ZS nur
als Varianten eines Phonems existieren, aber in der AS als zwei verschiedene
Phoneme gebraucht werden. Interferenzen, die durch diese
Überdifferenzierung erscheinen, sind in der Regel jedoch nicht
verständnisstörend.
- Der dritte Typ der lautlichen Interferenz, den Weinreich ins
Licht gebracht hat, ist die Uminterpretation von Distinktionen«. Dabei
hält der Lerner Charakteristiken, aufgrund derer in seiner AS zwischen
zwei Phonemen unterschieden werden.
- Die tatsächliche Lautersetzung« führt
Weinreich als vierter Typ der lautlichen Interferenz an. Wenn Phoneme in beiden
beteiligten Sprachsystemen gleich bestimmt, dennoch ausgesprochen werden, dann
entsteht die so genannte tatsächliche Lautersetzung«. Von allen
bisher genannten Phänomenen lautlicher Interferenz führt diese
tatsächliche Lautersetzung« je nach Weinreich am allerwenigsten zu
Verständnisstörungen. Wichtig ist dennoch zu betonen, dass diese
Auflistung Weinreichs keinen Anspruch auf Vollständigkeit bringt. Andere
Autoren wie Czochralski (1971) führen wieder andere Klassifikationen
phonetischer Transferprozesse durch. Diesbezüglich ist Weinreich dessen
bewusst, dass manche konkreten Fälle lautlicher Interferenz sicherlich zu
komplex seien. Deswegen können sie durch einen der vier erwähnten
Übertragungsprozesse beschrieben werden.
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