2.2.3.2. Intralinguale Interferenzen
Es kann auch vorkommen, dass Unterschiede bzw. Kontraste
innerhalb einer Sprache liegen. Solche Fehler nennt man intralinguale oder
innersprachliche Interferenzen. Außerdem kann die partielle
Ähnlichkeit nicht nur zwischen Elementen beider Sprachsysteme, sondern
auch innerhalb einer Sprache bzw. einer Fremdsprache auftauchen. So provoziert
z.B. in der deutschen Sprache der Kontrastmangel zwischen semantischen
Ähnlichkeiten Fehler wie: bieten/bitten, setzen/sitzen, liegen/legen.
Uhlisch (1992, S. 45) erklärt, dass auch die phonetische
Ähnlichkeit oft falsche Assoziationen bewirken kann und dadurch
Paronymie30 zur Folge haben. Hier haben wir die Verwechslung formal
ähnlich, aber semantisch unterschiedlicher Wörter wie:
Ergebnis/Erlebnis, gelingen/gelangen.
Zu innersprachlichen Interferenzen zählen die
Übergeneralisierung und Hyperkorrektheit (Hufeisen und Neuner, 1999, S.
26).
30 Ein Wort, das morphologisch teilweise mit einem
anderen übereinstimmt, aber eine andere Bedeutung hat.
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? Übergeneralisierung: Sie erscheint,
wenn der Lerner die Übertragung von Regularitäten innerhalb einer
Fremdsprache macht. Dies bildet sozusagen die häufigste Fehlerquelle.
Tatsächlich bildet der Lernende aufgrund seiner Erfahrung mit schon
bekannten Strukturen in der Fremdsprache eine falsche Struktur. Der
Schüler greift nicht mehr auf seine Muttersprache zurück, aber
versucht losgelöst von ihr die Regeln der Fremdsprache anzuwenden. Es hat
sich herausgestellt, dass gerade auf dem Bereich der Morphologie fehlerhafte
Analogiebildungen gehäuft auftreten. So kann z.B. der kamerunische
Deutschlernende falsche Analogiebildungen machen wie:
?Büsse
(analog zur Pluralbildung von Kuss ? Küsse).
?Ich habe gerennt
(analog zu Ich habe gelegt).
? Hyperkorrektheit: Manche Sprecher einer
Fremdsprache artikulieren sämtliche Endungen, die von
Muttersprache-Sprechenden eher verschliffen werden. z.B: /w d n/ statt /w
dn/.
2.2.4. Zur Klassifizierung der Interferenzerscheinungen
nach sprachsystematischen Ebenen
Wie bei der Begriffsbestimmung gibt es auch in der
einschlägigen Fachliteratur unterschiedliche Auffassungen, was die
Klassifikation der Interferenzen nach sprachsystematischen bzw. sprachlichen
Ebenen betrifft. Auf Grund ihrer Vielzahl heben wir nur einige davon hervor.
Jorger (1987, S. 37) nimmt sprachsystematisch gesehen, eine Dreiteilung vor.
Innerhalb der Sekundärsprache differenziert er zu allererst zwischen
interlingualen und intralingualen Interferenzen. Er übernimmt dann
hinsichtlich der Verteilung nach Sprachbereichen die Klassifizierung der
Interferenzerscheinungen nach der üblichen Aufteilung linguistischer
Systeme in den Bereich Orthographie, Lexik, Phonetik und Grammatik (Morphologie
und Syntax). Juhàsz (1980, S. 647) geht auch in dieselbe Richtung, indem
er drei Erscheinungsformen von Interferenz (grammatische, phonetische und
lexikalisch-semantische) unterscheidet.
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Weinreich (1977) differenziert seinerseits zwischen
phonetischen, grammatischen und lexikalischen Interferenzen. In Bezug auf die
absoluten Grenzen zwischen den erwähnten sprachlichen Ebenen, in denen
Interferenzerscheinungen vorhanden sind, konstatiert er:
Bis auf den heutigen Tag gibt es wenig Einheitlichkeit darin,
wo die Grenzen zwischen Morphologie und Syntax, zwischen Grammatik und Lexikon
zu ziehen sind. Doch muss dies kein Hindernis sein. Darüber hinaus ist es
möglich, das Problem der nicht festliegenden und kontroversen Grenzziehung
zwischen Wort und Nicht-Wort, Syntax und Morphologie usw. dadurch zu umgehen,
dass man diese Unterscheidungen nicht strikt kategorisch nimmt, sondern sie zum
Zwecke des Vergleichs als graduierbar ansieht [...] demgemäß kann es
dann vermieden werden, sich auf eine bestimmte Annahme bezüglich der
absoluten Grenzen zwischen Morphologie, Wortbildung, Syntax und Idiomatik
festlegen zu müssen. (S. 49)
Kohler (1975) versucht die Problematik der Abgrenzung zwischen
Phonetik, Semantik und Grammatik zu umgehen. Dabei nimmt er eine andere
Einteilung in Bezug auf die Interferenzfehler vor, wobei sich drei Typen
unterscheiden lassen:
- Der erste Typ betrifft die Ersetzung einer
lexikalischen oder grammatischen Einheit von L1 durch eine nicht entsprechende
Einheit in L2.
- Der zweite Typ verweist auf die
Überschneidung der Einheiten von L1 und L2, d.h. bei einer grammatischen
oder lexikalischen Einheit von L1 treten teilweise in L2 andere Elemente
auf.
- Der dritte Typ wendet sich an die Divergenz
der Einheiten von L1 und L2, d.h. einer Einheit von L1 entsprechen zwei oder
mehrere Einheiten in L2.
Czochralski (1971, S. 11) stellt fest, dass kein Teilsystem
der Sprache gegen die Interferenz immun [ist]. Die Interferenz findet in der
ganzen Sprache, in deren Gesamtsystem statt«. Hier werden typische
Interferenzfälle in unterschiedlichen Teilsystemen der Sprache
beschrieben. Für ihn sind folgende Interferenzen zu klassifizieren:
- Interferenzen grammatischer Kategorien - Syntaktische
Interferenzen
- Morphologische Interferenzen
- Morpho-syntaktische Interferenzen
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- Lexikalisch-semantische Interferenzen
- Interferenzen auf phonetisch-phonemischem Gebiet
Obwohl es eine Uneinigkeit zur Klassifikation der
Interferenzen gibt, wird es deutlich, dass sich in der erwähnten
Fachliteratur eine Dreiteilung (nach phonetischen, grammatischen und
lexikalisch-semantischen Ebenen) durchgesetzt hat, was auch in unserer Arbeit
sowohl für interlinguale als auch für intralinguale Interferenzen
wahrgenommen wird.
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