1.2. Übersetzung: Ein wissenschaftliches Fachgebiet
Das Übersetzen wird als ein spannendes Feld für
kreative, aber disziplinierte Sprach-und Kulturmittel betrachtet, und als jede
wissenschaftliche Disziplin zielt es darauf, Theorien zu studieren. Die
Übersetzungswissenschaft ist die Studie von der Translatologie und
bemüht sich, die Übersetzungsprozessen zu beschreiben, zu analysieren
und zu erklären. Die manchen Historiker meinen, dass das Übersetzen
bzw. das Dolmetschen in sprachlicher und kultureller Hinsicht als Motor der
Entwicklung der Menschheit betrachtet werden kann. Es nimmt daher nicht wunder,
dass die Translation, die sich entwickelt hat, sich einem bestimmten
Gegenstand, Aufbau und bestimmten Aufgaben geeignet hat.
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1.2.1. Gegenstand
Worum geht es genau, wenn man von der Translatologie spricht?
Man braucht keinen eigenen Gegenstand für eine Disziplin. Das bedeutet,
der Gegenstand ist einer Disziplin an sich besonders nicht wichtig, sondern der
Blickwinkel und das Forschungsinteresse darauf. Der Gegenstand der
Übersetzungswissenschaft spaltet die Übersetzungstätigkeiten und
ihre Produkte (Übersetzungen). Es ist das Übersetzen als Prozess der
schriftlichen Reproduktion eines schriftlich vorliegenden Textes in einer
anderen Sprache. Die Übersetzungen scheinen als Ergebnisse dieses
Vorgangs.
Es geht zu andererseits um die Übersetzung als Produkt,
das heißt, zielsprachlicher Text, der auf der Basis eines
ausgangssprachlichen Textes entstanden ist. Durch dieses Produkt können
wir einerseits Vergleiche zwischen den jeweiligen Ausgangs- und Zielsprache
machen. Andererseits verwendet man dieses Produkt als Grundlage für
übersetzungskritische Wertungen. Also werden Kriterien entwickelt, an
denen die Qualität einer Übersetzung gemessen werden kann. Die zu
entwickelnden Kriterien sind von großer praktischer Bedeutung sowohl
für die Produzenten als auch für die Konsumenten des Übersetzens
(des Produkts).
Das Übersetzen ist sozusagen ein Vorgang, der versucht,
Äquivalenzen zwischen zwei in verschiedenen Sprachen geäußerten
Texten zu etablieren. Diese Äquivalenzen hängen immer und
notwendigerweise von der Natur der beiden Texte, ihrem Zielort, den bestehenden
Verhältnissen zwischen den beiden Kulturen, ihrer moralischen,
intellektuellen und affektiven Stimmung ab. Das Übersetzen errichtet dabei
einen Zusammenhang zwischen der Zivilisation der Ausgangssprache und der der
Zielsprache. Es besteht auch darin, die verwendeten Methoden, Strategien und
Techniken aufzudecken, ohne die Originalität bzw. den Inhalt des Textes zu
verändern.
1.2.2. Aufgaben und Aufbau
Die Aufgaben und der Aufbau der Übersetzungswissenschaft
sind miteinander eng verbunden, dass sie ganz einfach vermischt werden.
Grundgenommen sehen die
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Aufgabenstellungen der Übersetzungswissenschaft auf zwei
Seiten aus: Auf der einen Seite scheint die Übersetzungswissenschaft als
Translationslinguistik mit ihrer Beschränkung auf die sprachenpaarbezogene
Beschreibung von Äquivalenzbeziehungen im Bereich
wissenschaftlich-technischer Texte. Auf der anderen Seite scheint sie als
Kommunikationswissenschaft (W. Koller 1979, S. 96). Bei diesem zweiten Aspekt
wird das Übersetzen als interlingualer Kommunikationsakt aufgefasst, der
derselbe mit intralingualem Kommunizieren ist. Dabei ist zwischen zentralen und
sekundären Aufgabenstellungen der Übersetzungswissenschaft zu
unterscheiden. Eine solche Gewichtung der Aufgaben hängt aber von zwei
Gesichtspunkten ab: Den wissenschaftlichen Interessen vom Linguisten, für
den die Beschreibung der Äquivalenzbeziehungen zwischen zwei Sprachen im
Vordergrund steht, und dem wissenschaftlichen Ausgangspunkt vom
Literaturwissenschaftler, der eher für die stilistisch-ästhetischen
und rezeptionsbezogenen Aspekte interessiert.
Beim heutigen Stand der Übersetzungswissenschaft kann nur
sehr allgemein als Aufgabe formuliert werden, dass Übersetzen als Prozess
und Übersetzungen als Produkte mit den Methoden der Disziplinen analysiert
werden, erklärt und beschrieben. Diese Methoden haben ein bezogenes
Erkenntnisinteresse auf das Übersetzen. Sie haben also bestimmte Fragen in
Bezug auf Übersetzen bzw. Übersetzungen. Anders gesagt, sie
können bestimmte Aspekte der Übersetzungsproblematik analysieren. Ein
bestimmbares und zentrales Interesse an der Übersetzungswissenschaft
findet man auch bei der Übersetzungspraxis. Sie stellt der
Übersetzungswissenschaft folgende Aufgaben:
-Die Probleme, die sich in der Übersetzungspraxis
stellen, zu analysieren und die sprachenpaarbezogenen
Übersetzungsschwierigkeiten in einem systematischen Zusammenhang zu
präsentieren.
-Sprachphilosophische, hermeneutische, sprach- und
literaturwissenschaftliche und - theoretische Erkenntnisse auf das
Übersetzen zu beziehen und die Übersetzungsproblematik im Lichte
dieser Erkenntnisse zu untersuchen.
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-Lösungsmöglichkeiten und Lösungshilfen bei
Übersetzungsschwierigkeiten, die sich dem Übersetzer bei der
Wiedergabe sprachlicher Erscheinungen von Texten stellen, in Form von
Übersetzungswörterbüchern, Übersetzerhandbüchern,
terminologischen Listen etc. zu erarbeiten. (W. Koller 1979, S. 97)
Die Übersetzungswissenschaft enthält zusätzlich
andere Komplexe:
Die Übersetzungstheorie: Der
Übersetzungsprozess und die Bedingungen und Faktoren dieses Prozesses
liegen der Aufgabe der Übersetzungstheorie zugrunde. Die
Übersetzungstheorie abstrahiert von einzelnen
Übersetzungsschwierigkeiten, die von dem Übersetzer zu lösen
sind. Dabei thematisiert sie die Hauptprobleme. Sie reflektiert das
Selbstverständliche, das sich in der Praxis befindet und befasst sich mit
der Klärung wesentlicher Fragen. Einige davon sind: Was macht
Übersetzen möglich? Welche Methoden und Verfahren kommen bei der
Lösung unterschiedlicher Übersetzungsschwierigkeiten zur Anwendung?
Was ist das Wesen und welches sind die Bedingungen von Äquivalenz? (W.
Koller 1979, S. 98)
Die textbezogene Übersetzungswissenschaft:
Ihre Teilaufgaben bestehen darin, -Einzelne Übersetzungen, deren
Ziel die Herausarbeitung und der Vergleich sprach-stilistischer und
ästhetischer Merkmale ist, zu analysieren.
-Sprach-, stil- und Textnormen in verschiedenen Sprachen
ausgehend von Übersetzungen und Originaltexten zu beschreiben und zu
kontrastieren. -Zusammenhängende Texte zu analysieren, deren Ziel die
Herausarbeitung, Systematisierung und Korrelierung von AS- und ZS-Sprachstil
und Textmerkmalen ist.
-Rezeptionsbedingungen von Textgattungen in verschiedenen
Sprachen bzw. Rezeptionsgemeinschaften übersetzungsrelevant zu beschreiben
und zu analysieren. Übersetzungstheorien einzelner Textgattungen zu
erarbeiten.
-Eine übersetzungsrelevante Textanalyse und Texttypologie zu
erarbeiten.
Die wissenschaftliche Übersetzungskritik:
Kriterien und Methodik einer wissenschaftlichen
Übersetzungskritik werden abgeleitet. Hier setzt die
Übersetzungswissenschaft insbesondere voraus, dass das Wort
Äquivalenz« explizit
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erklärt wird. Zentrales Problem ist die
Objektivierbarkeit der Bewertungskriterien bei der Beurteilung von
Übersetzungen. (W. Koller 1979, S. 100)
Die angewandte Übersetzungswissenschaft:
Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Hilfsmittel für den
Übersetzer zu verbessern. Zu diesen Hilfsmitteln zählt man
Fachwörterbücher, Wörterbücher, Handbücher
verschiedenster Art. Dabei kommt das Ziel der angewandten
Übersetzungswissenschaft vor: Die Herstellung von eigentlichen
Übersetzungswörterbüchern.
Die Didaktik des Übersetzens: Die
Forschung am Übersetzungsunterricht befindet sich noch in ihren
Anfängen. Auf diesem Grund meint W. Wilss (1977):
Was an übersetzungsdidaktischen Veröffentlichungen
vorliegt, trägt unverkennbar den Zug von Do-it-yourself versuchen. Sie
basieren weitgehend auf individuellen Lehrerfahrungen, die sich bisher noch
nicht zu einer tragfähigen übersetzungsdidaktischen Konzeption
entwickelt haben, aus der generelle didaktische und methodische Einsichten
ableitbar wären. (S. 224)
Hier arbeitet die Übersetzungswissenschaft zusammen mit
der Sprachlehr- und - lernforschung, der Psycholinguistik und der angewandten
Sprachwissenschaft, um ihre Aufgaben zu vollziehen. Was den Inhalt und die
Methodik angeht, überschneidet sich die Übersetzungswissenschaft aber
mit anderen Wissenschaften und Wissenschaftszweigen wie die Kontrastive
Linguistik und die Fehlerlinguistik; etwas, das ihren interdisziplinären
Charakter deutlich macht.
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