2.1.4. Ähnlichkeit der Sprachen: Hilfe oder
Fehlerquelle?
In der Diskussion unter Forschern über die kontrastive
Analyse beobachtet man das Problem der Ähnlichkeit der zu vergleichenden
Sprachen. Es lässt sich die Frage stellen, ob die Ähnlichkeit der
Fremdsprache mit seiner Muttersprache für den Lerner eher eine Hilfe oder
eine potentielle Fehlerquelle ist? Sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den
Sprachstrukturen für den Fremdsprachenerwerb relevant?
Hier ist es wichtig zu unterstreichen, dass drei
Hauptrichtungen in der Fachliteratur auf der Suche nach der Antwort zu
beobachten sind. Die erste Richtung wendet sich an Linguisten, die davon
überzeugt sind, dass wesentlich Unterschiede zwischen Sprachen für
die Schwierigkeiten verantwortlich sind. So haben wir zum Beispiel Rieck (1980,
S. 53), der meint, dass der Transfer22 aus einer stark abweichenden
Sprache ins Deutsche wesentlich auffälliger als im Fall einer
ähnlichen Sprachstruktur ist. Spillner (1991, S.12) hält den Fehler
in der zu erlernenden Sprache für ein Indiz der sprachlichen Kontraste und
der damit zusammenhängenden Lernschwierigkeiten.
22 Bezeichnet eine Übertragung von Elementen
(Wörtern) von einer Sprache in eine andere, die zu positiver Interferenz
führt, d.h. keinem Fehler.
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Neben diesen beiden Linguisten haben wir auch Doherty (1992,
S. 10), der die Übersetzung als Hauptschlüssel bei der Entdeckung
solcher Fehler gilt.
Zur zweiten Richtlinie hingegen gehören Linguisten, die
die Gleichartigkeiten bzw. Teilübereinstimmungen als Ursache aller
Schwierigkeiten betrachten. Hellinger (1981, S. 143) sieht in den
Gemeinsamkeiten beider Sprachen ein relevantes Lernproblem. Fluck (1992, S. 13)
befürchtet, die Ursache aller Fehler liegt nur ausdrücklich in
Sprachunterschieden. Für Ernst (1975, S. 93) und Kühlwein (1975, S.
87) liegt das größte Hindernis in Teilübereinstimmungen. Sie
finden heraus, dass semantische Bestimmungen in unterschiedlichen Sprachen
nicht gleich, sondern nur ähnlich sind, was häufig lexikalische
Fehler zur Folge hat.
Die dritte und letzte Richtung der Sprachwissenschaftler ist
der Meinung, dass sich die Ursache potentieller Lernprobleme sowohl in
Unterschieden als auch in Ähnlichkeiten beider Sprachen befindet. Fluck
weist darauf hin, dass die Problemgebiete nicht nur bestehende, sondern auch
fehlende Kontraste verursachen. Bernstein (1975) findet diese Problematik viel
differenzierter und komplexer. Dabei formuliert er:
Die größten Schwierigkeiten resultieren aus den
Ähnlichkeiten der zu vergleichenden Sprachen. Die Strukturunterschiede
sind viel leichter zu erwerben als ähnliche Erscheinungen beider Sprachen.
Übereinstimmende Elemente der Muttersprache mit der zu erlernenden
Fremdsprache sind am einfachsten anzueignen. (S. 19)
Durch diese drei Richtungslinien der kontrastiven
Sprachforschung stellen wir fest, dass die Ähnlichkeit der Fremdsprache
mit der Muttersprache für die Lernenden eine Hilfe und Fehlerquelle sein
kann. Das heißt, die Ähnlichkeiten bzw. Gemeinsamkeiten und
Unterschiede zwischen Fremdsprache und Muttersprache könnten für die
Schwierigkeiten beim Fremdsprachenerwerb verantwortlich sein.
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