2.1.2. Zur konfrontativen vs. kontrastiven Linguistik
Die konfrontative Linguistik ist eine Bezeichnung insbesondere
in Osteuropa, die auch als KL genannt werden kann. Während sich die KL nur
der Ermittlung und Beschreibung interlingualer Unterschiede widmet, ermittelt
die konfrontative Linguistik zusätzlich auch die Gemeinsamkeiten. Auf
diese Weise kann man unterstreichen, dass die KL als Teilbereich der
konfrontativen Linguistik betrachtet werden kann. Interferenzfehler erscheinen
also als Ergebnis der Verschiedenheiten bei den Sprachen, und der Gegenstand
der Darstellung der konfrontativen Linguistik ist die Fremdsprache.
Zabrocki neben den bilateralen Untersuchungen hat zum ersten
Mal im 1970 die multilaterale Kontrastierung eingeschlagen. Die konfrontative
Linguistik beschränkt sich auf die Vergleichbarkeit und die
Synchronität20, das heißt, eine systematische Erforschung
der Gegenwartssprache hervorzuheben. Nickels Meinung nach soll die
Vergleichbarkeit nicht nur im phonologischen Bereich sowie Lexik und Semantik,
sondern auch stilistische, textuelle und kulturelle Aspekte kommen noch
hinzu.
2.1.3. Ziele und Verfahren der kontrastiven Linguistik
Wie bereits erwähnt, beschäftigt sich die KL mit der
Vergleichbarkeit der Strukturen von zwei oder mehreren Sprachen. Wichtig ist zu
wissen, dass der Zweck dieser Konfrontation jener sprachlichen Strukturen
unterschiedlich ist. Es fällt also eine Frage auf, ob es auch praktische
Anwendungsgebiete gibt. Dafür gibt es in der entsprechenden Literatur
Meinungsunterschiede. Nickel legt KL an die Grenze
20 Zum linguistischen Begriff Synchronität findet
sich die Synchronie.
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zwischen der theoretischen und angewandten Linguistik fest,
wobei sie früher der theoretischen angehört. Das bedeutet, die KL
zielt darauf, die praxisbezogene Umsetzung ihrer gewonnenen Ergebnisse
darzustellen, welche in der theoretischen Analyse abstammen. Laut Nickel werden
zwei oder mehrere Sprachen aus dem Fundament eines Vergleichspunkts
(Tertium comparationis21) systematisch miteinander durch
die KL verglichen. Dabei geht es nicht um das gesamte System, sondern nur
bestimmte Teilbereiche der Sprache zu vergleichen. Im Gegensatz meint
König, dass eine Zielverschiebung bei der KL in letzter Zeit von der
Praxis zur Theorie beobachtet werden soll. Die Kombination von Theorie und
Praxis der KL kann zweifelsohne für die Wissenschaft von Nutzen sein.
Die Frage nach dem Verfahren der Kontrastierung hat auch mit
der Frage nach dem Tertium comparationis zu tun. Laut Coseriu (1981,
S. 188) dient als Tertium comparationis ein universelles
Kategorialsystem, beispielsweise ein Ensemble von entsprechenden Paradigmen
oder ein unabhängiges Bezeichnungssystem, das durch Sprachen zu
vergleichen ist.
Die Kritik an der KL erhebt die Frage, ob zwei Sprachen
überhaupt zu vergleichen sind. Beim Sprachvergleich stellt man
Ähnlichkeiten (Äquivalente) und Unterschiede (Kontraste bzw.
Interferenzen) fest. Dies war auch jener Streitpunkt - das
Äquivalenzproblem, denn mit Hilfe von Äquivalenten kommt es zum
Sprachvergleich. Es muss dennoch dabei ein Unterschied zwischen den
Übereinstimmungen (Äquivalenzen) und Ähnlichkeiten
(Teiläquivalenten) gemacht werden. Im Übrigen sind direkte
Entsprechungen nicht immer aufzufinden, so greift man auf das semantische
Konzept zurück. Daher wurde auch das Konzept tertium comparationis
in Frage gestellt. Für viele Sprachwissenschaftler herrscht zwar
Einigkeit darüber, dass tertium im Sprachinhalt beruht, das
heißt in der Bedeutung. Für Coseriu ist davon jedoch abzuraten, dass
die Denkinhalte nicht immer unbeschränkt gleich sind. Munske (1973, S.
486) seinerseits weist ferner daraufhin, die Erkenntnisse der KL erst mithilfe
der Fehleranalyse nachgeprüft werden. Damit ist er einverstanden, dass die
Aufgabe
21 Das Gemeinsame, in dem zwei verschiedene
Gegenstände oder Sachverhalte übereinstimmen. Hier: Es geht um den
Vergleich zwischen zwei Sprachen.
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der KL in der theoretischen Sprachkonfrontation liegt,
während die Fehleranalyse sich mit der Interferenzuntersuchung im
Fremdsprachenunterricht befasst.
Nickel (1973, S. 466) weist auch darauf hin, dass es
gefährlich sei, wenn man keinen Unterschied zwischen der KL und der
Fehleranalyse macht. Er verknüpft die Fehleranalyse zur Kontrastanalyse
und erfasst die Interferenztheorie als Hilfsmittel für die Falsifizierung
bzw. Verifizierung von Hypothesen der KL.
Vertreter der KL gehen von dem Einfluss der Muttersprache auf
den Fremdsprachenerwerb aus, der sich in der Form vom negativen und positiven
Transfer bemerkbar macht. Nach der starken« Variante der
Kontrastiv-Hypothese sind Fehler durch die strukturelle Entfernung beider
Sprachen bestimmt und lassen sich zuvor vorhersagen. Die schwäche«
Variante geht klüger vor, indem sie ein potentielles Verhältnis
zwischen muttersprachlichen Interferenzen und Fehlern akzeptiert.
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