2.1. Allgemeiner Überblick der kontrastiven
Linguistik
Die zu untersuchenden Fehler aus Schülerarbeiten werden
eventuell von ganz unterschiedlicher Natur, nämlich in der Wortbildung
(Morphologie), im Satzbau (Syntax), im Lautinventar (Phonologie) und im
lexikalischen Aspekt sein. Dabei helfen sicherlich Erkenntnisse der
kontrastiven Analyse, die das Instrumentarium des kontrastiven Sprachvergleichs
entfaltet hat, eine sinnvolle Klassifizierung zu erstellen. Deswegen ist es
nützlich, wichtige Informationen über die kontrastive Linguistik (KL)
zumindest in Kürze näher zu beschreiben.
2.1.1. Zur Begriffsbestimmung und zum
Forschungsgegenstand
2.1.1.1. Was ist Kontrastive Linguistik?
In erster Linie ist die KL ein Teilbereich der
Sprachwissenschaft, in dem zwei oder mehrere Sprachsysteme verglichen werden,
um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu beschreiben.
Lados Ansicht nach (1957, S. 2) wird die KL als ein
Sprachvergleich betrachtet, der sich gleichermaßen sowohl Kontrasten als
auch Analogien zwischen Einzelsprachen widmet.
Nickel (1980, S. 633) seinerseits definiert die KL als eine
synchron vergleichende Beschreibungsmethode, der es um systematische Aufdeckung
von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Struktur der zu vergleichenden
Sprachen auf allen sprachlichen Ebenen geht. Seiner Auffassung nach, liegt
deren Hauptinteresse jedoch vornehmlich in Kontrasten, auch wenn dabei die
Ähnlichkeiten berücksichtigt werden sollen.
Für eine vergleichende Gegenüberstellung beider
Sprachen in ihrer Gesamtheit, indem man Unterschiede und Ähnlichkeiten
einschließt, sprach sich auch Helbig (1986) aus:
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Deshalb wurde die Forderung nach einer umfassenderen
konfrontativen Grammatik erhoben, die - im Unterschied zu bisherigen
kontrastiven Grammatik - eine theoretische linguistische Disziplin sein sollte,
die nicht nur Unterschiede, sondern auch Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen
Sprachen aufdeckt. (S. 273)
2.1.1.2. Forschungsgegenstand: Geschichtliche
Übersicht
Zahlreiche terminologische Unterschiede werden durch die
linguistische Fachliteratur hinsichtlich der kontrastiven Sprachwissenschaft
aufgewiesen. Dem Konzept KL, das Nickel als Sammelbegriff betrachtet, stehen
auch andere Bezeichnungen in der einschlägigen Literatur gegenüber.
Sehr oft entsprechen diesem Terminus synonyme Benennungen, wie zum Beispiel
Kontrastive Analyse, Sprachvergleich, Kontrastive Sprachwissenschaft,
Kontrastive oder konfrontative Grammatik, Konfrontative Linguistik und
Komparatistik. Die gebräuchlichste Bezeichnung scheint wohl die KL zu
sein, deshalb werden wir sie größtenteils benutzen.
Die KL hat ihren Ursprung in den 60er und
70er Jahren im 20. Jahrhundert. Sie wurde am Anfang als neue Basis
für einen effektiveren Fremdsprachenunterricht. Der Ausgangspunkt war die
Erkenntnis, dass ein Fremdsprachenlehrbuch effektiver ist, das auf die
Differenzen und Ähnlichkeiten der Fremdsprache mit der Muttersprache der
Lernenden hinweist. Man brauchte zuerst zu diesem Ziel theoretische
Erkenntnisse, die den Kern der KL liefern sollten.
In kurzer Zeit gelangte die KL zufällig in die Kritik,
denn sie vernachlässigte zu viele andere Aspekte außer dem Kontrast
zwischen Sprachen. Jene Aspekte spielen beim Spracherwerb eine wichtige Rolle
(sei es eine Erst-, Zweit- oder Fremdspracherwerb). Ferner wurde der
Spracherwerb auch durch das Alter des Lerners und sein Wissen beeinflusst.
Obwohl einige umfassende kontrastive Analysen verschiedener Sprachen in den
70er und 80er Jahren veröffentlicht wurden, hatte
sich die KL nicht viel mehr entwickelt. Ein kleiner Impuls ging in ab den
90er Jahren durch die Entstehung von Lernerkorpora18 und
Parallelkorpora19 aus, aufgrund dessen einige kontrastive Studien
18 Lernerkorpora finden in der
Fremdsprachendidaktik Verwendung, um beispielweise Fehlertypologien bestimmter
Sprachlernergruppen zu erstellen, auszuwerten und die Lehrmethoden danach
auszurichten.
19 Es sind Archive von Übersetzungseinheiten und
ihre Äquivalenten.
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entstanden wurden. Also kann man ja von einem Revival von der
KL sprechen, was unter anderem auch durch die Gründung der Zeitschrift
Languages in contrast im Jahr 1999 reflektiert wird. Aber die
Entwicklung der KL wird wirklich erst in den 2000er Jahren
verstärkt. Daraus ergibt sich eine richtige Auseinandersetzung mit
kontrastiven Analysen von sprachlichen Phänomenen.
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