Zweiter Abschnitt : Der Einfluss des Rechts der
Europäischen Union auf die wesentlichen Rechte der Aktionäre und
ihrer Ausübung.
Zu den Grundrechten« des Aktionärs gehören der
Gleichbehandlungsgrundsatz (Sektion 1), das Informationsrecht (Sektion 2) und
die Teilhabe am Leben der Gesellschaft, das durch die Teilnahme an der
Hauptversammlung der Aktionäre verwirklicht wird (Sektion 3). Diese
sämtlichen Rechte und ihre Ausübung wurden durch die
gesellschaftsrechtlichen Richtlinien beeinflusst.
Sektion 1 - Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller
Aktionäre.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre wird
von unterschiedlichen Richtlinien in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich
behauptet, so dass man von einer sektoriellen Behauptung dieses Grundsatzes
sprechen kann (§ 1). In bestimmten Fällen stellt er jedoch kein
Hindernis zur Ausgestaltung eines speziellen Schutzes des Aktionärs
(§ 2).
§ 1 - Die sektorielle Behauptung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung aller Aktionäre.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre wurde
zunächst von Art. 42 der Kapitalrichtlinie behauptet. Danach müssen
die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Anwendung« der
Richtlinie die Gleichbehandlung der Aktionäre sicherstellen, die sich in
denselben Verhältnissen befinden. Somit müssen die Aktionäre,
die sich in der gleichen Lage befinden, bei Kapitalerhöhungen oder
-herabsetzungen sowie bei Erteilung oder Ausschluss des Bezugsrechts
gleichbehandelt werden. Ebenfalls bestimmt Art. 3, lit. a der Richtlinie
betreffend Übernahmeangebote309 als allgemeinen Grundsatz des
Übernahmeangebots, dass alle Inhaber von Wertpapieren, die der gleichen
Gattung angehören, gleich zu behandeln sind. Diesem Erfordernis kommt eine
besondere Bedeutung zu im Rahmen des Pflichtangebots und der Festsetzung des
den Aktionären angebotenen Preises.
Das Prinzip der Gleichbehandlung der Aktionäre wird auch
im Rahmen der Richtlinien über Informations- und Teilnahmerechte
behauptet. Der Art. 17 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie310 vom
15.12.2004 bestimmt, dass der Emittent von Aktien, die zum Handel an einem
geregelten Markt zugelassen sind, gegenüber allen Aktionären, die
sich in der gleichen Lage befinden, die gleiche Behandlung sicherstellen muss.
Es sieht auch die Richtlinie 2007/36/EG vor, deren Ziel es ist, die
Teilnahmerechte der Aktionäre grenzüberschreitend zwischen den
Mitgliedstaaten zu stärken, sieht vor, dass allen Aktionären in
nicht diskriminierender Weise« ein schneller Zugang zu den
Informationen vor der Hauptversammlung gewährleistet werden soll. Diese
Richtlinie hat eine bestimmte Form der Gleichbehandlung festgesetzt,
nämlich die Gleichbehandlung zwischen Aktionären, die in dem Staat
ansässig sind, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat und denjenigen, die
in diesem Staat nicht ansässig sind.
Bei der Umsetzung des Art. 42 der Kapitalrichtlinie durch das
Durchführungsgesetz vom 13.12.1978 hat der deutsche Gesetzgeber den
Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre für den ganzen
Anwendungsbereich des deutschen Aktiengesetzes behauptet (§ 53a AktG). In
Frankreich beinhalten zahlreiche gesetzliche Bestimmungen diesen Grundsatz.
309 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (Text von
Bedeutung für den EWR), Amtsblatt L 142 vom 30.04.2004, S.
0012-0023.
310 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der
Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren
Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur
Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, Amtsblatt L 390 vom 31.12.2004, S.
0038-0057.
Obwohl er nicht allgemein für das ganze Gesellschaftsrecht
gesetzlich behauptet wird, stellt er ein allgemeines Prinzip des
französischen Gesellschaftsrechts dar.
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