3.2.3 Nachhaltigkeit des Ökotourismus im Angesicht des
Massentourismus
ÖT und MT werden oft als die beiden Gegensätze der
Tourismusentwicklung gesehen. Der zentrale Unterschied ist die Anzahl der
beteiligten Touristen und deren Umweltauswirkungen auf die Destination (vgl.
Ivanov, S., & Ivanova, M., 2013). Der ÖT konzentriert sich auf die
Umwelt, ihr Verständnis sowie den sozioökonomischen Nutzen der
lokalen Gemeinschaften, während der MT mit traditionellen Aspekten wie
Meer, Sonne und Skiorten mit großen Touristenströmen verbunden ist
(vgl. Gonzalez Tiradoz, 2011).
Auf der Suche nach einem Gleichgewicht
Ivanov, S., Ivanova, M. konzeptualisierten ein Raster, das auf
zwei Punkten basiert: Tourismusentwicklung mit der Anzahl der Touristen und
Umweltauswirkungen mit dem ökologischen Fußabdruck. Es wird als
SDEF-Raster (Scale of Tourism Development and Ecological Footprint) bezeichnet
und als zweidimensional beschrieben (vgl. Abbildung 4).
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Abbildung 4. Skala der touristischen Entwicklung / des
ökologischen Fußabdrucks; (Ivanov, S., & Ivanova, M., 2013, S.
4)
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Wenn die touristische Entwicklung gering ist, bedeutet dies, dass
die Anzahl der Touristen, die untergebracht werden können, gering ist,
z.B. aufgrund der Unzugänglichkeit des Reiseziels. Wenn es hoch ist,
bedeutet das, dass viele Touristen Zugang haben, weil die
Empfangskapazitäten hoch sind und das Reiseziel zugänglich ist. Der
MT hat eine hohe und der ÖT eine niedrige touristische Entwicklung. Die
beiden Praktiken unterscheiden sich auch in Bezug auf den ökologischen
Fußabdruck, da der ÖT durch einen niedrigen ökologischen
Fußabdruck gekennzeichnet ist, während der MT einen hohen
Fußabdruck hat.
Meistens berücksichtigt die Politik nur die beiden
Gegensätze und vergisst, dass es Zwischenstufen gibt (vgl. Ivanov, S.,
& Ivanova, M., 2013). Der MT könnte zu einem ökologischeren
Tourismus werden, indem die Anzahl der Touristen im Reiseziel durch die
Einführung von Quoten oder anderen Makro- und Mikrotechniken begrenzt wird
(vgl. Ryan, 2003). Es könnte seine Beziehung zur Umwelt durch den Einsatz
von Techniken wie erneuerbare Energien, Wasserwiederverwendung oder
Abfalltrennung verbessern (vgl. Ivanov, S., & Ivanova, M., 2012). Der
ÖT könnte mehr Menschen einbeziehen und Arbeitsplätze schaffen,
indem es sich mehr in Richtung MT entwickelt. Die Auswirkung dieser
Transformation wäre ein höherer ökologischer Fußabdruck
(vgl. Ivanov, S., & Ivanova, M., 2013).
In diesen beiden Punkten gelingt es dem ÖT nicht, ein
Gleichgewicht zu finden. Diese Ergebnisse führen zu einer
Nachhaltigkeitsanalyse. Es berücksichtigt drei Dimensionen: Die
ökonomische, die ökologische und die soziale Dimension (vgl.
Swarbrooke, 1999). Es ist wichtig zu beachten, dass Nachhaltigkeit ein Zustand
des Tourismus ist und nicht eine Art des Tourismus, da verschiedene Arten des
Tourismus auf nachhaltige Weise entwickelt werden können. Von
ökologischer Nachhaltigkeit spricht man, wenn die negativen Auswirkungen
des Tourismus auf die Umwelt sehr gering sind. Bei der sozialen Nachhaltigkeit
geht es um die soziale Verantwortung von Tourismusunternehmen und den Nutzen
für Mitarbeiter und der lokalen Gemeinschaft. Die wirtschaftliche
Nachhaltigkeit konzentriert sich auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des
Tourismus und auf das Reiseziel. Forscher betonen, dass sich die
Nachhaltigkeitsliteratur mehr auf den Umweltaspekt konzentriert als auf die
beiden anderen. In Abbildung 5 sind also die drei Dimensionen der
Nachhaltigkeit gleichwertig und fassen vier Tourismusarten zusammen.
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Abbildung 5. Tourismus-Nachhaltigkeits-Vektoren -
kombiniert; (Ivanov, S., & Ivanova, M., 2013, S. 8)
In Abbildung 5 hat der ÖT eine hohe ökologische
Nachhaltigkeit, aber eine geringe
wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit, da die Unternehmen zu
klein und weniger rentabel sind, während die Einwohner in ihrer
Entwicklung und ihrem wirtschaftlichen Wohlstand eingeschränkt sind. MT
bringt wichtige wirtschaftliche und soziale Vorteile mit Skalenerträgen
und der Schaffung von Arbeitsplätzen mit. Der Umweltfaktor wird durch den
hohen Ressourcenverbrauch, den Ausbau der Resorts und die zunehmende
Umweltverschmutzung in den Hintergrund gedrängt. Die Gegensätze
zeigen uns, dass es ein Gleichgewicht zwischen ökologischer Nachhaltigkeit
und sozioökonomischer Nachhaltigkeit gibt. Die Steigerung der
ökologischen Nachhaltigkeit wird auf Kosten der sozioökonomischen
Nachhaltigkeit gehen und umgekehrt. Es ist daher in der Praxis sehr schwierig,
für alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit die besten Ergebnisse zu
erzielen. Es zeigt sich, dass der ,,Mass ecotourism« weniger
umweltfreundlich, aber insgesamt viel nachhaltiger ist, und umgekehrt für
den ,,Eco mass tourism«. ÖT und MT könnten nachhaltiger sein,
wenn sie sich zu ,,Mass ecotourism« und ,,Eco mass tourism«
entwickeln (vgl. Ivanov, S., & Ivanova, M., 2013).
Sensibilisierung der Stakeholder erforderlich
Es ist wichtig, dass alle Interessengruppen berücksichtigt
werden, dass sie ihre Rolle verstehen, übernehmen und motiviert werden,
sich in Richtung eines grüneren Tourismus zu bewegen. Nur mit
gleichgesinnten Stakeholdern können politische Maßnahmen umgesetzt
werden (vgl. Hawkins, 1994). Sie müssen dafür sensibilisiert werden,
was der ÖT allgemein
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und langfristig bewirken kann. Am komplexesten ist es, die
Stakeholder zu ermutigen, sich mehr auf die Interessen des Reiseziels und der
lokalen Gemeinschaft zu konzentrieren als auf ihre persönlichen Interessen
(vgl. K. Dimitriou, 2016).
Die notwendige Implementierung eines Rahmens und einer
Regelung
Um den ÖT zu entwickeln, sagte Dimitriou, dass die
Tourismusindustrie enger mit Regierungsorganisationen zusammenarbeiten soll, um
eine umweltfreundliche Politik zu schaffen. Regierungen sollen Regelungen
einführen und drastische Maßnahmen für gefährdete Gebiete
ergreifen. Dazu gehören auch zu befolgenden Verhaltensregeln. Regierungen
sollen Organisationen und Verbände gründen, um diese Maßnahmen
umzusetzen. Die Einführung von ÖT-Richtlinien ist nur der erste Teil,
es muss auch überwacht werden, ob die Regeln eingehalten werden. Für
diejenigen, die sich nicht daranhalten, müssen Disziplin und
Maßnahmen geschaffen werden. Die lokalen Behörden in den
Zielgebieten sollten dann diesem Beispiel folgen.
Das Netzwerk muss in allen Phasen koordiniert und
unterstützt werden, um eine Tourismuskampagne zu fördern.
Tourismusplaner, Experten und Entscheidungsträger müssen aus den
Fehlschlägen, bei der Umsetzung des ÖT an einigen Orten, aufgrund
mangelnder Organisation und unkluger Planung, lernen. Um die Versäumnisse
zu beheben, sollten die Pläne klare Prioritäten bei der Umsetzung
nachhaltiger Maßnahmen setzen und das Wissen der Experten erweitern.
Schließlich soll eine gründliche Überprüfung der
potenziellen Folgen vorgenommen werden (vgl. K. Dimitriou, 2016).
Die Schaffung einer Ökotourismusförderung
Regierung und Tourismusagenturen sollen durch Information und
Schulung Anwohner, Touristen sowie Unternehmen für ihre negativen
Umwelteinflüsse und die Praktiken, die sie zu deren Minderung einsetzen
können, sensibilisieren (vgl. Hunter, 1995). Die Medien und sozialen
Netzwerke können dem ÖT zu besseren Ergebnissen verhelfen, da sie
überzeugend sind und Botschaften verstärken. Sie sind für eine
effektive Kommunikation und Bewusstseinsbildung unerlässlich (vgl. J.H.
Akash & I. Arul Aram, 2018). Diese Förderung sollte unter Vermeidung
von Unternehmen erfolgen, die ÖT als Marketinginstrument nutzen und
Greenwashing praktizieren.
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Um den ÖT zu fördern, brauchen Destinationen geschultes
und qualifiziertes Personal, damit es sich effektiv und langfristig entwickeln
kann (vgl. K. Dimitriou, 2016). Es muss erforscht werden, wie Reiseleiter
geschult werden müssen, um die richtigen Mechanismen wie Achtsamkeit oder
persönliche Intuition anzuwenden (vgl. Walker & Moscardo, 2014). Die
Erstellung der Ausbildung ist eine Herausforderung, da man wissen muss, wer die
Touristen ausbildet, die Ausbilder selbst, und wer sich um die Finanzierung
kümmert (vgl. K. Dimitriou, 2016). Buckley fügt hinzu, dass es keine
Forschung gibt, die überprüft, ob die Teilnehmer einer ÖT-Reise
nach ihren Erfahrungen ihre Praktiken verändern, ihre Auswirkungen auf die
Umwelt reduzieren oder sich an deren Erhaltung beteiligen (vgl. Buckley,
2009).
Hervorhebung erfolgreicher Projekte
Erfolgreiche Ökotourismusprojekte müssen in Forschung,
Politik und Praxis hervorgehoben werden.
Forscher haben gezeigt, wie ein spezifisches
Umweltmanagementmodell eine Grundlage für das Erreichen nachhaltiger Ziele
schaffen kann. Die Studie konzentrierte sich auf amerikanische Skigebiete und
die Ergebnisse bewiesen, dass das Modell effektiv auf verschiedene
Tourismuspraktiken angewendet werden kann (vgl. Todd & Williams, 1996).
Bulgarien wies auf die negativen Auswirkungen des
unkontrollierten Tourismus hin, der sich dem ÖT zuwenden musste, um
Naturgebiete zu schützen. Das Land entwickelte einen politischen Plan mit
staatlichen Regeln und Maßnahmen für die Umwelt, die
unternehmerische Ideen und das lokale Wohlergehen fördern. Die Stakeholder
waren durch lokale Behörden, NROs und Investoren repräsentiert. Jetzt
werden alle fragilen Naturgebiete des Landes durch ein Netzwerk von
EU-Naturschutzgebieten namens NATURA 2000 unterstützt und verwaltet (vgl.
Georgiev, 2010).
Die Region Burren hat gezeigt, dass ÖT eine ihrer
Hauptaktivitäten sein kann. Es ist mit der Entwicklung der Region
verbunden und hat großes Potenzial, ein Werkzeug für die lokale
nachhaltige Entwicklung zu werden (vgl. M. Ramazanova et al., 2018). Es
entstehen Projekte wie Burren Connect, bei denen das ÖT-Netzwerk die
Praktiken des ÖT in dem Gebiet entwickelt, indem es die Meinung von
Stakeholdern wie Ökotouristen einholt (vgl. Burren Connect Project, 2008).
Um die Nachhaltigkeit des Projekts zu gewährleisten, versuchen sie, eng
mit den lokalen Gemeinden zusammenzuarbeiten und behaupten, dass Anstrengungen
in
34
der Umwelterziehung der Beteiligten unternommen werden sollten
(vgl. M. Ramazanova et al., 2018).
Ein erreichbares Ziel in Europa
Der Tourismus verursacht erhebliche und manchmal nicht
reparierbare Umweltschäden. Der MT trägt mit seiner gedankenlosen und
unkontrollierten Art wesentlich zur globalen Erwärmung, zum Artensterben,
zur Luftverschmutzung und anderen schädlichen Auswirkungen bei.
ÖT hat sich als Alternative zum MT entwickelt, die Konflikte
zwischen Tourismus, Umwelt und lokalen Gemeinschaften minimiert. Die
Hindernisse für seine Praxis sind vorhanden und es wird Zeit, Arbeit und
Engagement benötigt, damit der ÖT seine Schwierigkeiten
überwindet. Trotzdem kann es mehr genutzt werden und eine nachhaltige
Alternative werden. Es ist notwendig, dass die Stakeholder eng zusammenarbeiten
und ihre Projekte planen, während sie gleichzeitig ihre Leistung
evaluieren. Mit einer Weiterentwicklung der Tourismusindustrie auf ihren
wirtschaftlichen Eigennutz, ihrer Organisation, ihre Berücksichtigung der
Projekte, die durchgeführt werden, auch wenn sie minimal sind, wird sie
den ÖT und den Respekt für die Umwelt fördern.
Das Konzept des ÖT könnte nicht nur die Praktiken des
Bereichs verbessern, sondern auch eine stabile Zukunft für die
nächsten Generationen sichern (vgl. K. Dimitriou, 2016). Auf
europäischer Ebene ist es möglich, die Praxis schneller zu
implementieren, da der Kontinent entwickelt ist und Zugang zu Bildung, Medien,
Transport, Technologie hat und auf einem System basiert, in dem sich die
Stakeholder besser ausdrücken können.
35
4 Empirischer Ansatz: Mögliche Lösungen
für die Entwicklung des Ökotourismus
Im Anschluss an die Literaturrecherche führte ich mehrere
Einzelinterviews mit Studenten und anschließend mit einer Expertin aus
dem Gebiet des Tourismus, um die während unserer Recherche aufgestellten
Hypothesen zu bestätigen oder zu widerlegen. Sie werden uns auch erlauben,
neue Ideen und neue Achsen zu finden, um angepasste Empfehlungen
vorzuschlagen.
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