Die Perspektiven einer neuen französischen Afrikapolitik im frankophonen Afrika südlich der Sahara( Télécharger le fichier original )par El-Houssein Aw Freie Universität Berlin - Master in Political Science 2005 |
Die zwingenden ökonomischen Abhängigkeiten versetzen Frankreich in die Lage, die Gewährung staatlicher Unabhängigkeit in einer kalkulierten qui pro quo«-Politik von Vertragsgarantien für die Fortdauer privilegierter Beziehungen abhängig zu machen. Die Art und Weise der französischen Verhandlungsführung und der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Unabhängigkeitsdaten und dem Abschluss überwiegend bilateraler Kooperationsverträge deuten auf ein Junktim. Offenbar begriff Frankreich den Fortbestand weitreichender Einflussmöglichkeiten nicht nur als Gegenleistung, sondern als Voraussetzung für die staatliche Unabhängigkeit. De Gaulle hatte Ende 1959 in Dakar154(*) erklärt, eine indépendance réelle« komme in der modernen Welt niemandem zu155(*), und Premier Ministre Michel Débré schrieb am 15. Juli 1960 an den designierten gabonesischen Präsidenten Léon M'ba:On donne l'indépendance à condition (sic !) que l'Etat une fois indépendant s'engage à respecter les accords de coopération signés antérieurement. Il y a deux systèmes qui entrent en vigueur simultanément : indépendance et les accords de coopération. L'un ne va pas sans l'autre.«156(*)Weiter schrieb der Premierminister Débré:Je vous serais obligé de bien vouloir, en accusant réception de cettte communication, me confirmer que, des la proclamation de l'indépendance de la République gabonaise, le gouvernement de la République gabonaise procédera à la signature des accords de coopération..., actes dont le texte a été paraphé en date de ce jour et qu'il prendra aussitôt les mesures propres à assurer leur propre entrée en vigueur. Il va de soi qu'il en sera de même de la part du gouvernement de la République française.«157(*) Als Grundlage für die Gesamtheit der Kooperationsabkommen können die außenpolitischen Vereinbarungen gelten, die als einzige in Form von ratifikationsbedürftigen Staatsverträgen abgeschlossen wurden. Bei den Abkommen über militärische Zusammenarbeit wurde grundsätzlich zwischen Verteidigungs- und Technischen Militärhilfeabkommen unterschieden. Die mit elf Staaten geschlossenen Verteidigungsabkommen sahen Absprachen über alle die äußere Sicherheit betreffenden Fragen vor und räumten Frankreich das Recht ein, Militärstutzpunkte zu unterhalten bzw. die militärische Infrastruktur zu nutzen. Im Gegenzug sicherte Paris den afrikanischen Regierungen pour leur défense contre toute menace (sic!)«158(*)- also auch gegen Bedrohungen von innen - Unterstützung zu. In den geheimen Konventionen über die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Sicherheit sollen ein formelles Ersuchen der französischen Regierung als Vorbedingung für den Einsatz französischer Truppen festgelegt worden sein. In Obervolta lehnte Präsident Yameogo Maurice159(*) die Unterzeichnung eines Verteidigungsabkommens und die Stationierung französischer Streitkräfte ab, da deren Mitarbeit und jedes Lächeln diktiert und kalkuliert« sei.160(*) Die Technischen Militärabkommen verpflichteten Frankreich, dreizehn seiner vierzehn Nachfolgestaaten beim Aufbau eigener Streitkräfte zu unterstützen. Die afrikanischen Vertragsstaaten sagten zu, sich bei der Beschaffung, Wartung und Erneuerung der Waffen und anderen Kriegsmaterials ausschließlich oder in erster Linie an Frankreich zu wenden. Zu den Abkommen über Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Verteidigung zählten außerdem Vereinbarungen über strategisch wichtige Rohstoffe und Produkte. Sie sahen eine gemeinsame Rohstoffpolitik vor und verpflichteten die afrikanischen Länder, Erdöl, Erdgas, Uran, Thorium, Lithium, Beryllium, Helium sowie Erze und ihre Verbindungen en priorité nach Frankreich zu exportieren und den französischen Streitkräften bei ihrer Lagerung behilflich zu sein. Die wirtschaftspolitisch wohl bedeutendsten, mit offensichtlichen Souveränitätseinbußen verbundenen Vereinbarungen betrafen die Währungsbeziehungen. Im funktionalen Gegensatz zur politisch-territorialen Balkanisierung der Region sahen sie die supranationale Regelung der monetären Beziehungen im Rahmen der Franczone vor, eines bis heute weltweit einzigartigen Gebildes, das vierzehn souveränen Staaten eine gemeinsame Währung -den Franc CFA- garantiert, dessen Konvertibilität das französische Schatzamt sicherstellt. Eine nachhaltige und einflusspolitisch wichtige Bedeutung kam auch den eliteprägenden Kulturabkommen zu. In ihnen verpflichteten sich die Staaten des frankophonen« Afrikas, das Französische als offizielle Sprache und Instrument ihrer Entwicklung« beizubehalten und sich zur Deckung ihres Lehrkräftebedarfs bevorzugt an Frankreich zu wenden. Niederlassungskonventionen, Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in Justizangeleinheiten und personelle Hilfe beim Aufbau staatlicher Strukturen vervollständigten das Vertragswerk. Als Ergebnis eines friedlichen, überwiegend im vertraglichen Einvernehmen geregelten Dekolonisationsprozesses garantierte das bilaterale Vertragssystem der Kooperation die Kontinuität der franko-afrikanischen Beziehungen, indem es die politischen und wirtschaftlichen Strukturen des frankophonen Afrikas auf die ehemalige Kolonialmacht ausrichtete. Die Mehrzahl der Abkommen hat, Mitte der sechziger und Anfang der siebziger Jahre neu verhandelt, bis heute Bestand und bildet den vertragsrechtlichen Rahmen erstaunlich einvernehmlicher Beziehungen.161(*) 3.1 Die Afrikapolitik unter de Gaulle von 1958 bis 1969 Sans liberté de blâmer, il n'est point d'éloge flatteur.«162(*) Grundlegend für das Verständnis der französischen Einflusspolitik in Afrika ist das tiefe Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Frankreich und den ehemaligen Kolonien, das in der Zeit des Empires wurzelt und auch in den Jahrzehnten nach der Dekolonisation nicht verschwunden ist. Diese Unabhängigkeit stellte aus französischer Sicht keinen fundamentalen Bruch in den Beziehungen zwischen Frankreich und Afrika dar, sondern den Übergang zu einer neuen Form enger und freundschaftlicher Beziehungen.163(*) Die afrikapolitische Praxis der V. Republik ruht, politisch-administrativ besehen, auf zwei Säulen: der exklusiven Machtfülle des Präsident und, weitgehend reformresistent, der Kontinuität kolonial geprägter Institutionen. Die Verfassung der V. Republik konzentriert, auf das politische Temperament de Gaulles zugeschnitten, die innen-und außenpolitische Entscheidungsgewalt auf den seit 1962 für sieben Jahre gewählten Präsidenten. Obgleich verfassungsrechtlich umstritten, haben sich in der politischen Praxis insbesondere die Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik als domaines réservés des Elysée erwiesen, dessen Amtsinhaber- im Unterschied zu anderen präsidentiellen Demokratien- dem Parlament nicht verantwortlich ist.164(*) Seit de Gaulle 1960 mit Jacques Foccart einen langjährigen Vertrauten zum Leiter des Secrétariat général pour les affaires africaines et malgaches bestellte,obliegen Planung, Durchführung und Koordination der französischen Afrikapolitik- weitgehend unkontrolliert- dem Elysée. Dabei kommt, in einem von Geheimdiplomatie und personellen Konstellationen bestimmten Um-und Aufgabenfeld, den dem Präsidenten direkt verantwortlichen Afrikaberatern eine zentrale Rolle und große Machtfülle zu. Die wichtigsten afrikapolitischen Entscheidungen fallen- unter Umgehung der Fachministerien- im direkten, von persönlichen Loyalitäten geprägten Kontakt zwischen dem Elysée und den afrikanischen Präsidenten. Zum kolonial geprägten Erbe der französischen Subsaharapolitik zählt darüber hinaus, was wohlwollend als administrativer Pluralismus« beschrieben worden ist: eine verwirrende und unüberschaubare Vielfalt zum Teil aus der Kolonialzeit stammender, zum Teil erst später gegründeter Organisationen und organismes spécialisés, deren Kompetenzkonkurrenz eine kohärente, konzeptionell begründete Afrika- und Entwicklungspolitik nachhaltig erschwert.165(*) Das französische Engagement in Afrika wurde im Diskurs mit einem Gefühl der Verantwortung und einer französischen Pflicht zur Solidarität gegenüber den Staaten der Dritten Welt, besonders gegenüber den afrikanischen Völkern begründet. De Gaulle als Architekt der neuen nachkolonialen Kooperation betonte diese Ambition in der Mehrzahl seiner Reden und Veröffentlichungen. Im Mittelpunkt seiner politischen Rhetorik, der in den über 800 zwischen 1940 und 1969 gehaltenen Reden 34 mal auf das subsaharische Afrika Bezug nimmt, steht als imaginierte Gemeinschaft die französische (Kultur-) Nation. Hier befinden sich, mit beeindruckender Regelmäßigkeit, Denk- und Argumentationsmuster, die einen engen Zusammenhang zwischen Frankreichs nationaler Größe (grandeur, rayonnement) und seiner Kolonial-und Afrikapolitik (mission civilisatrice) herstellen. In dieser Argumentation: Unser außenpolitisches Handeln trachtet Ziele zu erreichen, die untereinander verknüpft sind, und die, weil sie französisch sind, im Interesse der Menschheit liegen«, gehen Frankreichs Genie, seine Großzügigkeit und seine Interesse eine harmonische und unproblematische Verbindung ein.166(*) Dazu kam die Annahme, Frankreich habe auf der gemeinsamen Geschichte ein besonderes Verständnis für die Afrikaner und ihre Bedürfnisse: En effet, l'indépendance, ainsi recouvrée permet à la France de devenir, en dépit des idéologies et des hégémonies des colosses, malgré les passions et préventions des races, par dessus les rivalités et les ambitions des Nations, un champion de la coopération (...). Or la France est, par excellence, qualifiée pour agir dans ce sen-là. Elle l'est par sa nature qui la porte aux contacts humains. Elle l'est par l'opinion qu'on a d'elle historiquement et qui lui ouvre une sorte de crédit latent quand il s'agit d'universel. (...) Elle l'est, enfin, parce qu'elle apparaît comme une nation aux mains libres dont aucune pression du dehors ne détermine la politique.«167(*) Afrika war insbesondere nach der Verlust der Kolonien in Asien und in Nordafrika der bevorzugte Projektionsraum französischer Macht, da es eines der wenigen Gebiete jenseits des eigenen Staates darstellte, in denen Frankreich noch genügend Einfluss besaß, um seinen Status als international agierende mittlere Macht zu behaupten. Die Rolle als Schutzmacht in Afrika wurde zugleich als Legitimation für den Sitz in dem UN-Sicherheitsrat angesehen.168(*) Die Auffassung, dass der Einfluss in Afrika eine notwendige Bedingung für den französischen Status in der Weltpolitik sei, war schon zu de Gaulles Zeiten Konsens in der politischen Elite, was in einem Zitat Mitterands von 1957, damals junger Minister der Vierten Republik, deutlich wird: Sans Afrique, il n'y aura pas d'Histoire de la France au XXIe siècle.«169(*) In diesem Zusammenhang erinnert Henry Kissinger in seinen Memoiren: Wie gesagt, habe ich nie der Verurteilung de Gaulles zugestimmt, vielmehr die Auffassung vertreten, dass unsere Europa-Politik in den 60iger Jahren im allgemeinen von falscher Voraussetzung ausging. Mir schien, wir hätten die psychologischen Probleme eines Landes wie Frankreich, das unter äußersten Anstrengungen und Opfern zwei Weltkriege überlebt hat, 1940 gedemütigt worden war und 1958, 1960 und 1962 am Rande des Bürgerkriegs gestanden hatte, vollkommen missverstanden. De Gaulle sah seine Hauptaufgabe darin, Frankreich den Glauben an sich selbst zurückzugeben. Wie weit ihm das gelungen ist, zeigte sich darin, dass man sich drei Jahre nach Beendigung des Algerien-Krieges 170(*) (die meisten Beobachter hatten damit gerechnet, dass Frankreich auf Jahrzehnte durch innenpolitische Spannungen geschwächt bleiben würde) darüber beschwerte, Frankreich treibe eine Außenpolitik, die energischer und zielstrebiger sei, als es ihm seine konkreten Fähigkeiten erlaubt hätten. (...) Er hatte in Krisenzeiten dramatische Leistungen vollbracht, durch die er an die Macht gekommen war. Er hatte die neuen politischen Institutionen konsolidiert; und er hatte Französisch-Afrika entkolonialisiert und das französische Selbstvertrauen in der Heimat sowie das Prestige Frankreichs in den ehemaligen Kolonien bewahrt. Am Rande des Bürgerkrieges hatte er den Nationalstolz Frankreichs wiederhergestellt, indem er seinem Land in der europäischen Politik und in der europäischen Politik und im westlichen Bündnis eine zentrale Rolle zuwies. Seine Herausfordernde Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten hatte zum großen Teil den Zweck verfolgt, den Franzosen mehr Selbstsicherheit zu verleihen.«171(*) Mit der Unabhängigkeit wurde diese Politik auf eine neue, jetzt, wie schon erwähnt, völkerrechtliche Basis gestellt. 1960 schloss Frankreich mit allen ehemaligen Kolonien bilaterale Kooperationsverträge sowohl im außen- und sicherheitspolitischen, als auch im wirtschaftlichen und den kulturellen Bereich ab. Die Unterzeichnung dieser Verträge wurde von de Gaulle mit massivem politischen und wirtschaftlichen Druck, der vor allem durch das ökonomische Abhängigkeitsverhältnis möglich war, zur Voraussetzung für die Gewährung der Unabhängigkeit gemacht.172(*) Diese Kooperationsverträge, aber auch die wirtschaftliche Einflussnahme über Entwicklungspolitik und das währungspolitische Instrument der Franc-Zone ermöglichten den Übergang von der direkten Präsenz der Kolonialzeit zu Formen indirekter Einflussnahme, wobei diplomatische , kulturpolitische, militärische, finanzielle und wirtschaftliche Instrumente eng miteinander verknüpft wurden.173(*) Was der wirtschaftlichen Zusammenarbeit betrifft, stellte Afrika für Frankreich im Bereich des außen Handels, die zweitwichtigste Region nach der Europäischen Gemeinschaft dar. 174(*) Die Konzentration lag ebenfalls auf dem frankophonen Afrika, dessen Märkte von französischen Unternehmen dominiert wurden. Erst in den achtziger Jahren war, bedingt vor allem durch die Wirtschaftskrise in Afrika, ein Rückgang der französischen Auslandsinvestitionen in Afrika festzustellen.175(*) Eine zentrale Persönlichkeit in der französischen Afrikapolitik war der berühmter, der Mann des Schattens, Jacques Foccart, der bis zu seinem Tod, 19. März 1997, eine bedeutende Rolle in der Afrika-Frage spielte. 1960 wurde Foccart Generalsekretär der Communauté Française und nach der Unabhängigkeit Secrétaire général à la présidence de la République. Diese mit weitreichender Machtfülle und exklusiven Privilegien (direkter Zugang zu de Gaulle, tägliche Treffen am Abend) ausgestattete Position behielt er, obgleich in seiner Machtfülle beschnitten, auch unter Pompidou bei. Foccart hatte direkten Einfluss auf die Ernennung von Botschaftern, sichtete Kopien der Diplomatenpost, kontrollierte die Chefs de mission d'aide et coopération und gab- mittels chiffrierter Codes und unter Umgebung des Außenministeriums - Direktiven und Anweisungen. Jacques Foccart schaffte alles, was er in der afrikanischen Einflusssphäre Frankreichs erreicht hat, mit der Hilfe von zahlreichen Netzwerke und seinen langjährigen Freund, Felix-Houphouet Boigny, bei den er in Entretiens avec Philippe Gaillard176(*) posthume bedanken hat. In der Regierungszeit von de Gaulle wurden in sieben ehemaligen afrikanischen Kolonien Frankreichs Machtwechsel oder Staatsstreich gegeben.177(*) Die Stabilisierung der ist allerdings nicht der Endzweck der französischen Politik, sondern nur die Basis für das übergeordnete Ziel der Wahrung des französischen Einflusses in den Ländern und daraus folgend die Wahrung der Vormachtstellung in der Region. Das französische Handeln entsprach damit primär weniger den afrikanischen Interessen, als dem Schutz französischer strategischer, militärischer und wirtschaftlicher Ziele in der Region, wobei die lokalen Eliten in den meisten Fällen auch von dieser Politik profitierten.178(*) So wenig Frankreich darauf bestand, in jeder außenpolitischen Frage Übereinstimmung mit seinen Vertragspartnern zu erzielen, so sehr ist das Bemühen um eine grundsätzlich Frankreichfreundliche Haltung erkennbar. Hier, in dem Versuch, die Region in die westliche Politik einzubinden und dem Status-quo verpflichtet, französisches Prestige zu fördern, dürfte das zentrale Motiv gaullistischer Afrikapolitik zu suchen sein. Ein vorwiegend ökonomisch bestimmtes Einflussdenken lag de Gaulle fern. Der exemplarische Bruch mit Guinea, das 1958 als reichstes westafrikanisches Land galt, und den französischen Industrienkreise vergeblich zu verhindern suchten, die Parteinahme für Biafra und die militärische Intervention in Tschad (1968) können als Ausdruck einer Politik gelten, die im Dienste einer geopolitischen Ambition stand: der Rehabilitation Frankreichs als Mittelmacht.179(*) 3.2 Die Afrikapolitik unter Georges Pompidou von 1969 bis 1974 Als Georges Pompidou de Gaulle im Juni 1969 an der Spitze der Fünften Republik nachfolgte, war dies in Frankreich und in Afrika mit der Erwartung verbunden, dass sich der Bedeutungsverlust des pré-carré für die französische Gesamt- und Außenpolitik unter einem Präsidenten, dessen politische Biographie keine starken Bindungen an den afrikanischen Kontinent aufwies, beschleunigen würde.180(*) Pompidous zentrales Anliegen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft mit Hilfe der Europäischen Gemeinschaft und durch eine stärkere Betonung ökonomischer Erfordernisse zu erhöhen, hatte auch afrikapolitische Folgen. Mit Jacques Foccart übernahm Pompidou, in der Résistance als Studienrat, der schreiben kann«181(*) zu de Gaulle gestoßen und seit seiner Studienzeit an der Ecole normale supérieure persönlich mit Leopold Senghor befreundet, den Afrikaberater seines Vorgängers. Es muss hier aber betont werden, dass Foccart seine Beraterfunktion nicht in den gleichen Massen und Qualitäten wie unter de Gaulle ausgeführt hat. Pompidous aktive Europa- und Mittelmeerpolitik, der neue ökonomische Realismus und die beginnende Defoccartisierung« der franko-afrikanischen Beziehungen mündeten, zusammen mit einem wachsenden Selbstbewusstsein afrikanischer Regierungen, in eine schleichende Krise des Kooperationsvertragssystems. Schon 1963 hatte der Rapport Jeanneney182(*) den ökonomischen Nutzen einer auf die Länder des frankophonen Afrikas konzentrierten Süd- und Afrikapolitik in Zweifel gezogen und deren regionale Ausweitung empfohlen: Si la coopération doit être jugée principalement en fonction de ses résultats pour les pays aidés, le maintien d'une priorité à l'Afrique est justifié. Mais priorité ne signifie pas exclusivité. Nous ne devons ni vouloir être les seuls à contribuer au développement de l'Afrique francophone, ni nous abstenir d'agir ailleurs.«183(*) Pompidous Subsaharapolitik steht, trotz neuer Akzente und des bewussten Verzichts auf de Gaulles rhetorischen Triumphalismus, unverkennbar in der Tradition seines Vorgängers. Sie zielt, im Kern, auf die Beibehaltung französischer Dominanz in einer Region, von der auch Pompidou überzeugt war, dass sie als Hinterland für Frankreichs internationale Rolle notwendig und unverzichtbar sei. Dabei geling es der französischen Diplomatie, die Form der Einflussnahme den eigenen Kapazitäten und den veränderten internationalen Rahmenbedingungen flexibel anzupassen. The view that now seems to prevail in French government circles is that there is little to be gained and a good deal to be lost by resolutely opposing the determination of the African states to take their distance from Paris. Willingness to acquiesce in the African urge to self-assertion has proved to be an effective formula for avoiding acrimonious confrontations that only diminished the French influence.«184(*) In dem Maße, in dem sich das französische Dominanzstreben entpolitisiert und entideologisiert, gewinnen ökonomische Rationalität und kulturell-institutionelle Bindungen an Bedeutung.185(*) Als Pompidou am 02. April 1974 einem Krebsleiden erliegt, hat sein Tod ein afrikapolitisches Nachspiel. Dreizehn Tage später- am 15. April- wird in Niamey der innenpolitisch weitgehend diskreditierte Hamani Diori- seine französische Militärberater sind auf einem Jagdausflug- Opfer eines Staatsstreichs.186(*) Zwei Tage später richtet der sozialistische Abgeordnete Louis Le Pensec eine schriftliche Anfrage an das französische Außenministerium. Pensec erinnert daran, dass der Militärputsch en pleine période de négociation des accords franco-nigériens relatifs à la réévaluation du prix de l'uranium d'Arlit187(*)« stattfand und bittet um ein formelles Démenti de toute hypothèse de collision entre le gouvernement français, les services de M. Foccart et les putschistes nigériens.« Zehn Jahre später erklärt Hamani Diori, aus dem Gefängnis entlassen, der Zeitschrift Jeune Afrique: A la conférence islamique de Lahore, en février 1974, il avait été décidé que l'Arabie Saoudite, la Lybie et le Maroc augmenterait leur aide au Niger et y favoriseraient les progrès de l'islam (...). Les dirigeants français ont pensé qu'en raison de sa position stratégique et de sa richesse en uranium, le Niger allait échapper à l'influence de l'ancienne métropole (...). Le coup d'état a eu lieu le 15 avril. Le Président Pompidou était mort le 2, et quelques hommes de l'ombre, des services spéciaux et de Foccart, ont fait marcher la machine du complot...«188(*) 3. 3 Die Afrikapolitik unter Valéry-Giscard d'Estaing von 1974 bis 1981 * 154 Dakar war die Hauptstadt des AOF (Afrique Occidentale Francaise). * 155 L'indépendance réelle, totale, n'appartient en réalité à personne. Il n'y a pas de politique possible sans coopération. Il n'a pas de pays, si grand et si puissant qu'il soit, qui puisse se passer des autres.« Ligot Maurice : Les accords de coopération entre la France et les états africains et malgache d'expression francaise. Paris 1964. S. 53. * 156 Grosser, Alfred: La politique extérieur de la V. République. Paris 1965. S. 74. * 157 Zitiert nach Brüne Stefan: Die französische Afrikapolitik..... und Scherk, ibid., S. 39. In textgleichen Noten machte Frankreich auch die Unabhängigkeit der Mali-Föderation, Madagaskars, der Zentralafrikanischen Republik, des Kongos und des Tschad von der Paraphierung der Kooperationsverträge abhängig. Um die formelle Gültigkeit der Abkommen sicherzustellen, wurden sie erst unterzeichnet, nachdem die neuen Staaten Souveränität und Völkerrechtspersönlichkeit erlangt hatten. Die Verträge mit der Mali-Föderation (Senegal-Sudan) wurden zwei Tage nach der Proklamation der Unabhängigkeit, die mit Kongo, Tschad, der Zentralafrikanischen Republik und Gabun am Tage der Unabhängigkeit selbst paraphiert. Die verträge mit der Elfenbeinküste, Dahomey, Niger und Obervolta traten am 24. April 1961 in Kraft- einen Monat, nachdem der Versuch, sie im Rahmen einer Communauté renovée an Frankreich zu binden, gescheitert war. Der Vertrag mit dem ehemaligen UN-Treuhandgebiet Kamerun wurde am 13.11.1960 geschlossen und nach der Vereinigung am 01.10.1961 auf die anglophonen südlichen Landesteile ausgedehnt. Die Vereinbarungen mit der Islamischen Republik Mauretanien traten erst acht Monate nach der Unabhängigkeit - die französischen Truppen verblieben ohne Rechtsgrundlage im Land - am 19. Juni 1961in Kraft. In der Republik Togo unterzeichnete Präsident Grunitzky am 10. Juli 1963 acht Kooperationsverträge, nachdem sein Vorgänger Sylvianus Olympio in einem unveröffentlichten Notenaustausch Frankreich 1960 lediglich den Status quo bestätigt hatte. * 158 Scherk, ibid., S. 58. * 159 Yameogo, Maurice (1921-1993) war der erste Präsident des unabhängigen Obervolta von 1960 bis 1966. 1966 wurde er entmachtet durch einen Putsch von General Abubakar Sangoulé Lamizana. * 160 Le Monde vom 21.04.1961. * 161 Brüne, Stefan: Die französische Afrikapolitik. Hegemonialinteressen und Entwicklungsanspruch. Baden-Baden, 1995. S. 47- 65. * 162 Beaumarchais, Pierre Augustin Caron de (1732-1799) war Sohn eines Uhrmachers, erlernte zunächst den Beruf seines Vaters und wurde dann Harfenlehrer der Töchter Ludwigs XV. in Versailles (Frankreich). Er war Salon-Animateur, Geschäftsmann, Richter für Jagddelikte, Häftling in Vincennes, Geheimagent, königlicher Gesandter, Vorsitzender des Verbandes der Theaterautoren. Heute ist Beaumarchais vor allem Bekannt als Autor der Erfolgskomödien Le Barbier de Séville (1775) und La folle journée ou le mariage de Figaro (verfasst und mehrfach überarbeitet 1775-78, uraufgeführt 1784). (nach Prof. Gert Pinkernell, Französische Literatur; unter: http://www.frankreich-experte.de/fr/6/lit/beaumarchais.html). * 163 Lingnau, Hildegard: Frankreichs Sozialisten-Tiermondistische Theorie und neokoloniale Praxis: die Entwicklungspolitik der Sozialistischen Partei Frankreichs (PS)- Programmatischer Anspruch und praktischer Ausführung. Berliner Studien zur Politik in Afrika, Bd. 9. Frankfurt am Main, 1989. S. 30. * 164 Lingnau, Hildegard: ibid., S.46. Siehe auch Woyke, Wichard: Frankreichs Außenpolitik von de Gaulle bis Mitterand. Opladen 1987, S. 26. * 165 Lingnau, Hildegard: ibid., S. 35-42. * 166 Quantin, Patrick: La vision gaullienne de l'Afrique noire. Permanence et adaptations. In : Politique Africaine 2, Februar 1982, 5. S. 8-18. * 167 Charles de Gaulle: Conférence de presse du 09.09.1965 (unter: http://www.unice.fr/ILF-CNRS/politext/DeGaulle/degaulle65.html#9_9_65). * 168 Philippi, Nina: Frankreichs Rolle im ruandischen Burgerkrieg - Eine Wende in der französischen Afrikapolitik? In: Hanns W. Maull/ Christoph Neßhöver/Michael Meimeth (Hrsg.): Die verhinderte Großmacht. Frankreichs Sicherheitspolitik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Opladen 1997. S. 225. * 169 Mitterand, Francois: Présence francaise et abandon. Paris 1957. S. 237. * 170 Der Algerien- (Befreiungs-) Krieg dauerte von 1954 bis 1962. * 171 Kissinger, Henry: Memoiren 1969-1973. München 1979. S. 118-418. (Nach Brüne Stefan: ibid. zitiert). * 172 Scherk: ibid., S. 39. * 173 Brüne, Stefan: Unter Reformdruck: die französische Afrikapolitik südlich der Sahara. In: Institut für Afrika-Kunde (Hrsg.), Afrika-Jahrbuch 1991- Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Afrika südlich der Sahara. Opladen 1992. S. 45. * 174 Brüne, Stefan: Die französische Afrikapolitik. Hegemonialinteressen und Entwicklungsanspruch. Baden-Baden, 1995. S. 189. * 175 Brüne, Stefan: ibid., S. 196. * 176 Fayard/Jeune Afrique: Foccart parle. Entretiens avec Philippe Gaillard. Tomes 1 et 2. Fayard/Jeune Afrique, 1995. * 177 Zentralafrikanische Republik am 29.03.1959 (Der damalige Président du Grand Conseil de l'Afrique Equatoriale Francaise, Barthélémy Boganda starb in einer Flugzeugkatastrophe) ; Togo am 13.01.1963 (der Präsident Sylvianus Olympio wurde dabei getötet); Kongo-Brazzaville am 15.08.1963 (wurde der Präsident Fulbert Youlou entmachtet) ; Benin am 28.10.1963 (Hubert Maga wurde entmachtet) ; Obervolta 1966 wurde Maurice Yameogo entmachtet ; Mali am 19.12.1968 wurde Modibo Keita entmachtet und Gabun, wo nach dem Tod des Präsidenten Léon M'ba übernahm die Macht Omar Bongo am 28.11.1967. * 178 Utley, Rachel: Not to do less but to do better...« Franch military police in Africa. In: International Affairs 1/2002. S. 129-146. * 179 Brüne, Stefan: Die französische Afrikapolitik... 1995. S. 82. * 180 Nach Brüne Stefan: Die französische Afrikapolitik.... 1995. S. 84. Pompidou war lediglich während seiner kurzen Tätigkeit für die Bank Rothschild im Zusammenhang mit der Société des mines de fer de Mauritanie (MIFERMA) mit afrikanischen Problemen befasst gewesen. * 181 Woyke, Richard: Frankreichs Außenpolitik von de Gaulle bis Mitterand. Opladen 1987. S. 63. * 182 Nach Brüne Stefan: Die französische Afrikapolitik... 1995. S. 85. (Der erst 1964 veröffentlichte Rapport ist nach dem Vortsitzenden der Untersuchungskommission, Jean-Marcel Jeanneney, benannt, der als enger Vertrauter de Gaulles Frankreichs letzter Präfekt in Algerien war). * 183 Merle, Marcel: La politique africaine dans la politique étrangère de la France. In : Lavroff, Dmitri-Georges (Hg.) : La politique africaine du Général de Gaulle (1958-1969). Acte du colloque organisé par le Centre Bordelais d'Etudes Africaines, le Centre d'Etudes d'Afrique Noire et l'Institut Charles de Gaulle, Bordeaux 19-20 Octobre 1979. Paris 1980, S. 160. * 184 Bois, Victor du: Former French Black Africa and France. Part I: The Continuing Ties. In: West Africa Series 16 (1975) 2, S. 1-11. Part II: Toward Disengagement. In: West Africa Series 16 (1975a) 3, S. 1-12. * 185 Brüne, Stefan: Die französische Afrikapolitik.... 1995. S. 90. * 186 Der Kopf dieses Staatsstreichs war der Lieutenant-Colonel Seyni Kountché, Chef d'Etat Major de l'Armée. Er blieb an die Macht bis zu seinem Tod am 15. November 1987. * 187 Arlit: eine Uranminenstadt in Niger, 1.500 Km von der Hautstadt Niamey entfernt. Die Stadt Arlit ist mit ca. 90.000 Menschen bewohnt. (unter: http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,2087859,00.html). * 188 Péan, Pierre : L'Homme de l'ombre. Eléments d'enquete autour de Jacques Foccart, l'homme le plus mystérieux et le plus puissants de la Ve République. Paris 1990. S. 452. |
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