2.1.1 Europäischer Tourismus: von einer
Minderheitspraxis zum Massentourismus
Diesen historischen Ursprung gehen auf viele Jahrhunderte v. Chr.
Sie entstammen aus der Gastfreundschaft, die bei vielen Völkern vorhanden,
aber nicht sehr gut entwickelt war.
Dieser Wunsch zu erforschen, zu lernen oder sich zu entspannen
hat archäologische Spuren hinterlassen, wie Straßen,
Pilgerstädte oder die Überreste von Hotels wie auf Kreta um 1500 v.
Chr. (vgl. S. Habib, 2016) (vgl. K. D. O'Gorman, 2010). Im Mittelalter wurden
Reiseschriftsteller populär, wie der Italiener Francesco Petrarca, der
1336 seine Besteigung des Mont Ventoux beschrieben hat (vgl. J. Hargett, 1985).
Der moderne Tourismus entstand mit dem "Grand Tour" auf, einer traditionellen
Reise in Europa, die auf Bildungsaspekten basiert. Es wurde von jungen adligen
Männern aus Westeuropa praktiziert, insbesondere von britischen
Aristokraten des achtzehnten Jahrhunderts, die die Reise nutzten, um den
künstlerischen und archäologischen Reichtum verschiedener
europäischer Städte zu entdecken. Der damalige Tourismus war
elitär, eine Freizeit- und Bildungsreise, die die Möglichkeit bot,
seine europäischen Kollegen zu treffen (vgl. J. Sorabella, 2003).
Der Tourismus im modernen Sinne entwickelte sich im 19.
Jahrhundert. Dampfschiffe begannen 1827 den Rhein zu befahren und senkten somit
die Reisekosten. Dies ermöglichte es 10% der Bevölkerung,
Kreuzfahrten und Besichtigungen zu unternehmen. Das erste profitable
Urlaubspaket« wird 1841 von dem Engländer Thomas Cook mit dem all
inclusive« geschaffen (vgl. F. Schachtschneider, 2015). Er hat den
schnellen Ausbau des europäischen Schienennetzes genutzt, um
Tagesausflüge zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Ende des 19.
Jahrhunderts reisten 20.000 Touristen mit Thomas Cook (vgl. E.
4
Sezgin & M. Yolal, 2012). Einen Boom erlebte der MT um 1870,
als der Rhein zum beliebtesten Reiseziel der Welt wurde. Aber schon damals war
der MT nicht für jeden attraktiv, vor allem nicht für die Einwohner.
Sie beklagten, dass sich Reisende ,,wie eine Heuschreckenplage« ausbreiten
(vgl. F. Schachtschneider, 2015).
Der MT entwickelte sich im 20. Jahrhundert aufgrund der
industriellen Revolution, des gestiegenen Wohlstands, der Aufgeschlossenheit
und der verbesserten Transportmöglichkeiten weiter. Dies hat zu
Massenproduktion und -konsum geführt, was eine Standardisierung des
touristischen Reisens zur Folge hat. Ab 1930 wuchs die Welt des Automobils und
stimulierte die Tourismusindustrie (vgl. Swarbrooke & Horner, 2007).
Wirtschaftspolitische Maßnahmen hat dann die Entwicklung des Tourismus
verstärkt. Die Gewerkschaften drängten die Regierungen, flexiblere
Arbeitszeiten zu organisieren, indem sie 1939 in vielen europäischen
Ländern den ,,bezahlten Urlaub« einführten. Manche
klassifizieren diese Entwicklung als ,,mobility era« (1800-1944) (vgl. E.
Sezgin & M. Yolal, 2012, S. 74).
Ab 1950 bereicherte ein starkes Wirtschaftswachstum die
westlichen Gesellschaften und verlagerte den Konsum in Richtung des
Bedürfnisses nach Anerkennung und Selbstwertgefühl. Dies ist der
Beginn der Freizeitzivilisation (vgl. J. Dumazedier, 1962). Zwischen 1960 und
1980 entstanden durch den übermäßigen Einsatz von Flugzeugen
und deren technischen Verbesserungen zahlreiche touristische Angebote (vgl. E.
Sezgin & M. Yolal, 2012). In den gleichen Jahrzehnten ist das
Massenphänomen durch eine massive Konzentration von Besuchern in einem
Empfangsgebiet und durch die Expansion des Kreuzfahrttourismus gekennzeichnet.
Das Ende des 20. Jahrhunderts wird als eine Erweiterung des touristischen
Gebiets definiert. 1989, mit dem Fall der Berliner Mauer, wurden die Grenzen
geöffnet und die bipolare Welt ging zu Ende. Die neue Generation war
neugierig, die Länder aus Mittel- und Westeuropa zu entdecken. Das
vereinte Europa im Kapitalismus schien vielversprechend und der geopolitische
Kontext war günstig (vgl. O. Dehoorne, 2013).
Die Euphorie und Illusion einer grenzenlosen touristischen Welt
wurden zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch Ereignisse wie die
Terroranschläge überholt. Der europäische Tourismus kann sich
den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Realitäten der
Gastländer nicht entziehen (vgl. O. Dehoorne, 2013). Die Entwicklung des
MT in den letzten zwei Jahrhunderten hat zu einem Anstieg des individuellen
ökologischen Fußabdrucks von
5
Touristen gebracht. Die Umsetzung einer nachhaltigen
Tourismuspolitik und die Förderung des Umweltschutzes werden in Europa zu
einer Priorität. So ist der ÖT in letzter Zeit zu einem
Entwicklungsziel geworden (vgl. K. Dimitriou, 2017).
Die Entwicklung des Tourismus wandelt sich von einer Praxis, die
einer finanzstarken Minderheit vorbehalten war, zu einem MT, der einem
Großteil der Bevölkerung zugänglich ist. Der europäische
Tourismus hat ein exponentielles Wachstum erlebt, das mit der Ankunft von
Covid-19 gestoppt wurde.
|