Zweiter Teil : Der Schutz der Aktionäre durch
das Recht der Europäischen Union bei spezifischen Geschäften.
In diesem zweiten Teil wird im ersten Abschnitt auf den Schutz
der Aktionäre bei Kapitalmaßnahmen, im zweiten Abschnitt auf diesen
Schutz bei Umwandlungen und im dritten Abschnitt bei Übernahmeangeboten
eingegangen. Diese sämtlichen Operationen stellen nämlich
Vorgänge vor, die die Rechte des Aktionärs gefährden können
und vor welchen er geschützt werden muss.
Erster Abschnitt - Der Schutz der Aktionäre bei
Kapitalmaßnahmen.
Im Rahmen von Kapitalmaßnahmen kommt der
Hauptversammlung der Aktionäre eine erhebliche Rolle zu (Sektion 1). Um
die Aktionäre bei den Kapitalerhöhungen zu schützen sieht
nunmehr die Kapitalrichtlinie ein Bezugsrecht zugunsten der alten«
Aktionären vor (Sektion 2).
Sektion 1 - Die Rolle der Hauptversammlung der
Aktionäre bei Kapitalmaßnahmen.
Zum einen besitzt die Hauptversammlung der Aktionäre die
grundsätzliche Zuständigkeit, um eine Kapitalerhöhung oder
-herabsetzung zu beschließen (§ 1). Zum anderen muss sie bei
schweren Verlusten des gezeichneten Kapitals einberufen werden (§ 2).
§ 1 - Die grundsätzliche Zuständigkeit der
Hauptversammlung der Aktionäre bei Kapitalmaßnahmen.
Wenn Art. 25 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie die
Zuständigkeit der Hauptversammlung der Aktionäre zwingend vorgibt, so
zielt er auf den Schutz der Aktionäre ab. Die Aktionäre haben selbst
über Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen zu entscheiden, denn
diese Maßnahmen können ihre Rechte antasten. Eine
Kapitalerhöhung kann nämlich zu einer Minderung des Einflusses des
Aktionärs in der Gesellschaft führen, wenn neue Aktionäre
anlässlich der Kapitalerhöhung die Gesellschaft betreten, oder wenn
alte« Aktionäre mehr Aktien erwerben (sog. Verwässerungseffekt).
Zur Kapitalerhöhung oder -herabsetzung ist somit eine Mehrheit von nicht
weniger als zwei Dritteln der vertretenen Wertpapiere oder des vertretenen
gezeichneten Kapitals erforderlich (Art. 40 Abs. 1). In einer Reihe von
Entscheidungen hat
der EuGH das Prinzip der Zuständigkeit der
Hauptversammlung gegen Vorschriften des griechischen Rechts, die eine staatlich
verordnete Zwangsverwaltung und Sanierung von Gesellschaften durch eine
staatlich kontrollierte Aktiengesellschaft vorschreiben, verteidigt. In diesem
Zusammenhang sind die Karella«-313 und
Pafitis«314-Entscheidungen besonders hervorzuheben.
In bestimmten Situationen kann es aber für die
Gesellschaft vorteilhafter sein, eine Kapitalerhöhung ohne Einberufung der
Hauptversammlung vornehmen zu können: Art. 25 Abs. 2 macht daher eine
Ausnahme von dem Grundsatz der Zuständigkeit der Hauptversammlung. Im
Rahmen des genehmigten Kapitals kann nämlich die Satzung oder die
Hauptversammlung den Vorstand für einen Zeitraum von höchstens
fünf Jahren ermächtigen, das Kapital bis zu einem Höchstbetrag
zu erhöhen.
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